Der Wettflug der Nationen
zum Tanken und stand in Funkverbindung mit der Seeschwalbe.
Schon kurze Zeit später kam es achtern von oben herangebraust und schwebte über der Seeschwalbe. Ganz dicht über ihr in einem Abstand von kaum 20 Metern flog auf dem gleichen Kurs und mit gleicher Geschwindigkeit das Stratosphärenschiff. Eine kurze Zeit noch geringfügige Schwankungen im Abstand, dann hatten sich die Flugzeuge aufeinander eingespielt. Als ob sie nun ein einziger Körper wären, brausten sie in 10.000 Meter Höhe über das Ägäische Meer dahin.
Ein feines Drahtseil, an dessen Ende eine schwere Bleikugel hing, senkte sich aus dem Rumpf von >St< hinab. Länger und länger wurde es. Jetzt pendelte die Kugel dicht neben der Seeschwalbe , jetzt konnte sie ein mechanischer Greifer fassen und in eine Schleusenkammer der Druckkabine hineinziehen — und mit ihr das untere Ende des Seiles. Nun quoll es dicker aus dem Leib des Stratosphärenschiffes. Ein starker Füllschlauch glitt an dem Drahtseil, das nun die beiden Flugzeuge fest verband, hinab. Ein paar Handgriffe von Röge, einige Kommandoworte per Sprechfunk, dann war die Schlauchverbindung hergestellt. Oben in >St 1< drehte Berkoff ein Ventil auf. In breitem Strahl ergoß sich der Treibstoff aus den Tanks des Stratosphärenschiffes durch den Schlauch in die Behälter der Seeschwalbe.
Einige Minuten blieben die beiden Flugzeuge so verbunden. Dann war die Treibstoffübernahme in der Luft vollendet, die Verbindung wurde gelöst.
In einer weiten Kurve drehte >St 1< nach Südost zurück, während die Seeschwalbe allein nach Nordwesten weiterjagte.
Der Tankwart in Haifa rieb sich die Augen, als das Stratosphärenschiff zum zweitenmal bei ihm wasserte und sich die Tanks von neuem vollaufen ließ, doch weder aus Wolf Hansen noch aus Georg Berkoff konnte er eine Erklärung herausholen. Als das Stratosphärenschiff schon wieder am Nordwesthorizont verschwunden war, zerbrach er sich den Kopf darüber, wie es in so kurzer Zeit 15 Tonnen besten Treibstoff verbrauchen konnte.
Seine Verwunderung wurde nicht geringer, als das Stratosphärenschiff eine knappe Stunde später schon wieder erschien. Diesmal fuhr er selbst mit der Barkasse zu dem Flugschiff hin und mußte dabei eine Entdeckung machen, die ihn vollkommen aus seinem seelischen Gleichgewicht brachte.
Es waren auf einmal ganz andere Leute in diesem verrückten Stratosphärenschiff als vorher. Ein energischer dicker Herr, der sich als Pilot Kraus vorstellte, verlangte Treibstoff.
„Aber Sie haben doch erst... Sie haben doch sogar schon zweimal... heute Nacht...“, stammelte der Tankwart.
„Sie irren sich, mein Lieber“, erwiderte Kraus, „>St 1< und >St 2< haben vielleicht. Wir sind >St 3<, das dritte Stratosphärenschiff der Eggerth-Werke.“
Auf diese Erklärung hatte der Tankwart keine Entgegnung mehr. Schweigend sah er zu, wie sich auch >St 3< 12 Kubikmeter Treibstoff in die Behälter pumpen ließ und danach auf Nordwestkurs davonstürmte.
In New York trafen während der zweiten Nacht des Rennens nur spärliche Nachrichten ein. Nach 22 Uhr war von Haifa das Tanken des >St<-Schiffes gemeldet worden, aber schon wieder zwei Stunden waren seit dieser letzten Meldung verstrichen, ohne daß sich die Seeschwalbe gemeldet hatte. Schon war Mitternacht vorüber, als der Sender von Radio-City wieder zu funken begann.
„Privatmeldung aus Berlin, Deutschland. Gegen 6 Uhr 40 Minuten morgens, also nach 22 Uhr 50 Minuten New Yorker Zeit, sollen mehrere Flugzeuge Kurs Nordwest in großer Höhe über der Stadt durch Radar angepeilt worden sein. Von den Flugzeugen liegt kein Funkspruch vor.“
Aus eigenem fügte der amerikanische Sender noch hinzu, daß die Strecke von Berlin bis zur Schreckensbucht noch knapp 3.000 Kilometer betrüge. Auf das Publikum wirkte die Nachricht im ersten Moment wie ein Keulenschlag. Die Eagle. um dessen Sieg so viele amerikanische Herzen zitterten, noch über dem Indischen Ozean... noch beinahe 4.000 Kilometer von seinem Ziel entfernt... das deutsche Flugzeug schon wieder über Deutschland ...
Vereinzelt kamen während der letzten Zeit Funksprüche von den Engländern und Italienern. Die letzte Fisher-Ferguson-Maschine, die noch im Rennen lag, hatte im Hafen Port of Spain auf Trinidad zu einer Triebwerkreparatur niedergehen müssen. Die drei italienischen Maschinen hielten sich tapfer und hatten den afrikanischen Kontinent inzwischen erreicht. Aber die Zeitverluste über dem Indischen Ozean hatten ihre
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