Der Wettflug der Nationen
verstrichen. Da endlich, kurz nach halb sechs Uhr nachmittags, meldete sich das Telefon auf seinem Schreibtisch. Bourns war am Apparat.
„Hallo, Mr. Sharp! Nachricht von Thomson. Die Eagle hat
um 5 Uhr 10 amerikanischer Ostzeit Mozambique überflogen…“
„Wie ist die bisherige Durchschnittsgeschwindigkeit?“ rief Sharp ins Mikrophon.
„Leider nicht so, wie sie sein sollte, Sir. Bisherige Flugstrecke 30 700 Kilometer. Flugdauer 29 Stunden und 10 Minuten. Durchschnittsgeschwindigkeit fast 1.052 Stundenkilometer.“
„Verdammt, Bourns! Das ist zu wenig, die Seeschwalbe hat 1057.“
„Weiß ich, Mr. Sharp, läßt sich nicht ändern. Die Eggerth-Maschine hat einen Vorsprung von 150 Kilometern vor der Eagle. Warten Sie einen Augenblick, eben kommt ein neuer Funkspruch. Hören Sie? Port Sudan. 6 Uhr 52 amerikanische Ostzeit. Seeschwalbe hat Port Sudan überflogen. Durchschnittsgeschwindigkeit 1.065 Stundenkilometer.“
„Der Teufel soll die Schwalbe holen!“ knurrte Sharp ärgerlich.
„Fluchen ist unchristlich und eines Gentleman nicht würdig“, lachte Bourns am anderen Ende der Leitung, „im übrigen hat die Seeschwalbe trotz ihres Vorsprungs von 400 Kilometern immer noch über 7.500 Kilometer bis zum Ziel zurückzulegen. Es kann noch mancherlei passieren, was unserer Eagle wieder Chancen gibt.“
„Ich will Ihnen ganz genau sagen, was passieren wird“, schrie Sharp erbost in sein Mikrophon. „Diese Eggerthsche Satansmaschine wird die 7.500 Kilometer in 6 Stunden und 48 Minuten zurücklegen, mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von ... hören Sie gut zu ... von 1.100 Stundenkilometer, die sie von Anfang an hatte. Danach werde ich dann das Vergnügen haben, Herrn Professor Eggerth aus Walkenfeld den Preis zu übergeben und ihn als den neuen Chef des Reading-Konzerns zu begrüßen. Nette Aussichten sind das, Bourns. Haben Sie mir sonst noch was zu sagen?“
„Jawohl, Mr. Sharp. Machen Sie mich bitte nicht persönlich für die Nachrichten verantwortlich, die unsere Station über das Rennen empfängt. Es sieht nachgerade wirklich so aus, als ob die Seeschwalbe den Preis gewinnen könnte ...“ „Um Himmels willen, Bourns, haben Sie schlechte Nachrichten von der Eagle?
„Nein, Gott sei Dank nicht. Aber unsere sonstigen schärfsten Konkurrenten haben Pech gehabt. Die drei italienischen Flugzeuge, die noch im Rennen sind, hatten mit Triebwerkstörungen zu kämpfen. Sie liegen jetzt bei dem unter dem 60 Grad südlicher Breite stationierten Flugzeugträger, reparieren und nehmen Treibstoff. Es wäre ein Wunder, wenn eines von ihnen noch den Preis gewinnen sollte.“
Die unmutigen Züge Sharps glätteten sich wieder etwas. „Schadet denen gar nichts, Bourns, Die Kerle glaubten, den Sieg schon in der Tasche zu haben.“
John Sharp wollte den Hörer auflegen, als Bourns sich mit einer neuen Nachricht meldete.
„Hallo! Sharp! Hören Sie. Die Franzosen sind auch erledigt. Ihr letztes Pferd im Rennen, die Papillon-Maschine, ist mit einem Hohlwellenbruch noch glücklich auf der Osterinsel
niedergegangen.“
Sharp knurrte etwas Unverständliches in die Mikrophonmuschel.
„Wie meinen Sie, Sharp?“
„Ich meine, Bourns, die Bilanz unseres Rennens ist nicht sehr erbaulich. Russen, Japaner und Franzosen ausgeschieden. Italiener und Engländer im Hintertreffen. Unsere einzige Hoffnung die Eagle. Wenn sie für den Rest der Rennstrecke wieder an die 1.200 Stundenkilometer herankäme, kann sie den Preis noch gewinnen.“
„Hoffen wir es“, sagte Bourns, und Sharp legte den Hörer nun wirklich auf die Gabel.
Die Nacht des zweiten Renntages brach über New York an. Immer mehr spitzte sich der große Wettflug Morgan Readings zu einem Duell zwischen der Eagle und der Seeschwalbe zu.
Gegen 22 Uhr verbreitete der Reading-Sender einen Funkspruch: „Eagle hat 21 Uhr 10 Minuten amerikanischer Ostzeit den Äquator überflogen. Flugstrecke seit Mozambique 4.700 Kilometer. Durchschnittsgeschwindigkeit auf dieser Strecke 1.175 Stundenkilometer.“
Heller Jubel vor Tausenden von Lautsprechern. Die Eagle kam wieder auf Touren, die glorreiche amerikanische Maschine hatte ihre alte Geschwindigkeit fast wieder erreicht. Sie konnte das Rennen noch machen. Sie würde es machen.
Die Seeschwalbe? Seitdem sie Port Sudan überflogen, hatte man von ihr nichts mehr gehört. Vielleicht lag sie mit irgendeiner Panne irgendwo in der arabischen Wüste und konnte dem amerikanischen Flugzeug nicht mehr gefährlich werden.
Weitere Kostenlose Bücher