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Der Wohlfahrtskonzern

Der Wohlfahrtskonzern

Titel: Der Wohlfahrtskonzern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl - Lester del Rey
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Stunde warten.
    Als Zorchi endlich bereit war, mich zu empfangen, kochte ich. Niemand hatte das Recht, einen Repräsentanten der Gesellschaft wie einen Botenjungen zu behandeln. Ich gab mir große Mühe, den Umstand zu berücksichtigen, daß er gerade eine schwere Operation hinter sich hatte – eigentlich zwei, einmal unter den Rädern der Lokomotive und ein zweites Mal unter dem Messer von drei der besten Chirurgen Neapels. So freundlich ich konnte, sagte ich nur: »Ich freue mich, Sie endlich zu sehen.«
    Das dunkle Gesicht auf dem rosa bestickten Kissen wandte sich mir kalt zu. » Che volete?« verlangte er zu wissen.
    Der Sekretär öffnete den Mund, um zu übersetzen, aber ich sagte schnell: »Scusi. Parlo un po’ la lingua. Non bisogno un traduttore.«
    Zorchi sagte mit träger Stimme auf italienisch: »Unter diesen Umständen kannst du gehen, Mario. Was wollen Sie von mir, Wiehls?«
    Ich erklärte meine Pflichten als Anspruchsregler und betonte, daß es meine Aufgabe, ja mein Privileg sei, für die Abfindung von Verletzungen zu sorgen, die von den Policen der Gesellschaft gedeckt wurden. Er hörte mir herablassend zu. Ich beobachtete ihn vorsichtig, während ich sprach, und versuchte dabei abzuschätzen, auf welche Weise ich sein Vertrauen am besten gewinnen könnte. Er war weit davon entfernt, ein attraktiver junger Mann zu sein, dachte ich; obwohl er die schäbige Gepäckträgeruniform nicht mehr trug, die er auf dem Bahnsteig angehabt hatte, wirkte er immer noch schlampig und unordentlich – trotz des schweren seidenen Schlafrocks, den er trug, und der unübersehbaren Kostspieligkeit seines Zimmers. Er trug immer noch den Bart – der war also letztlich keine Verkleidung gewesen. Es war kein schöner Bart. Es mußte Wochen her sein, seit man ihn zum letzten Mal gestutzt hatte, und seine Haare waren genauso struppig. Zorchi zeigte sich von meinen freundlichen Worten nicht beeindruckt. Als ich mit meinen Erklärungen fertig war, sagte er kühl: »Das ist nicht das erste Mal, daß ich Ansprüche gegen die Gesellschaft geltend mache, Wiehls. Warum kommen Sie diesmal und halten mir Reden?«
    »Nun, Sie müssen zugeben, daß Sie ein ziemlich ungewöhnlicher Fall sind«, antwortete ich vorsichtig.
    »Fall?« Er warf mir einen wilden Blick zu. »Ich bin kein Fall, Wiehls. Ich bin Zorchi, falls Sie nichts dagegen haben.«
    »Natürlich, natürlich. Ich wollte damit nur sagen, daß …«
    »Daß ich eine Statistik bin, wie?« Er nickte mit dem Kopf. »Sicher, ich verstehe. Aber ich bin keine Statistik, wissen Sie. Und wenn, dann eine, die nicht in Ihre elektronischen Maschinen paßt. Stimmt’s?«
    Das gab ich zu. »Wie ich bereits sagte, Sie sind ein ziemlich ungewöhnlicher Fa … . eine ziemlich ungewöhnliche Person, Mr. Zorchi.«
    Er grinste kühl. »Gut, wir sind uns einig. Und nun, da wir zu dieser Übereinkunft gekommen sind, ist das Interview wohl beendet, nicht wahr?«
    Ich hüstelte. »Mr. Zorchi«, sagte ich, »ich will ganz offen zu Ihnen sein.« Er schnaubte, aber ich fuhr fort. »Nach den Akten, die mir vorliegen, braucht dieser Anspruch nicht bezahlt zu werden. Ihre Ansprüche wegen völliger Invalidität sind nämlich schon befriedigt worden. Sie erhielten eine Abfindung, und außerdem wird Ihnen eine Rente ausgezahlt. Sie müssen verstehen, daß ein zweimaliger Anspruch wegen des Verlustes Ihrer Beine nicht möglich ist.«
    Er blickte mich mit einem Hauch von Belustigung an. »Ich muß?« fragte er. »Das ist sonderbar. Verstehen Sie, ich habe das mit vielen Anwälten durchgesprochen. Die Prämien wurden bezahlt, oder nicht? Die Police spricht eine klare Sprache, nicht wahr? Meine Beine – möchten Sie die Stümpfe selbst in Augenschein nehmen?«
    Er warf die seidenen Decken zur Seite. Ich wandte meine Augen von der weiß bandagierten unteren Hälfte seines Torsos ab, der haarig und dürr und auf schreckliche Weise weniger war, als die Beine eines Menschen sein sollten.
    »Vielleicht war ich zu offen«, sagte ich entmutigt. »Ich wollte damit nicht sagen, Mr. Zorchi, daß wir ihren Anspruch nicht auszahlen werden. Die Gesellschaft hat ihre Kontrakte immer buchstabengetreu erfüllt.«
    Er deckte sich beiläufig wieder zu. »Sehr gut. Geben Sie den Scheck meinem Sekretär. Ist das damit abgeschlossen?«
    »Nicht ganz.« Ich schluckte und ging aufs Ganze. »Mr. Zorchi, was, zum Teufel, haben Sie eigentlich vor? Wie machen Sie es? Ich gebe zu, daß es kein Schwindel ist. Sie haben wirklich Ihre

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