Der Wolfsthron: Roman (German Edition)
die Laschen zurück und holte einen funkelnden stählernen Brustharnisch sowie stählerne Handschuhe heraus, in die das Grauwolf-Emblem eingraviert war.
»Eine Rüstung?«, fragte Elena. »Du wirst eine Rüstung tragen? Das ist der Plan? Du glaubst, das wird dich vor magischen Flammen schützen?«
»Nein, Großmutter, aber es wird mich vor anders gearteten Angriffen schützen«, erwiderte Raisa. »Vergiss nicht, dass Königin Marianna bei einem Sturz vom Königinnenturm ums Leben kam. Und Hauptmann Byrne ist mit Pfeilen getötet worden. Wenn sie es also auf diese Weise versuchen, kann ihnen kein Magier die schmutzige Arbeit abnehmen. Sie werden rauskommen und sich zeigen müssen, wenn sie es mit mir aufnehmen wollen.«
Elena fuhr mit ihren schwieligen Fingern über den Brustharnisch, berührte den Halswulst und die schwachen Runen an den Seiten. Sie sah Raisa an, und ihre Augen funkelten. »Das ist Demonai-Arbeit. Wer hat das gemacht, Thorn Rose? Und wann? Darin steckt beachtliche Macht.«
»Ich habe es angefertigt«, sagte Dancer und stellte die Packtaschen beiseite. Er drehte sich um und sah Elena direkt an. »Es ist meine Arbeit.«
Ein verärgertes Murmeln erhob sich unter den Demonai-Kriegern.
»Du?« Elena starrte ihn an. »Aber das ist unmöglich. Du bist ein …«
»Ich bin ein Amulettschmied, Elena Cennestre «, sagte Dancer und reckte das Kinn. »Oder besser gesagt, ich will einer werden.«
»Wer unterrichtet dich?«, wollte Elena wissen. »Denn derjenige – wer auch immer es ist – spielt ein sehr gefährliches Spiel.«
»Hört auf!«, rief Raisa. »Wie können wir erwarten, dass wir gegen unsere Feinde gewinnen, wenn wir uns gegenseitig bekämpfen?«
Das wird von jetzt an zu meinem Leben gehören, dachte sie. Ich werde die Streitereien zwischen Magiern, Clans und dem Vale schlichten müssen.
»Magier dürfen keine magischen Waffen herstellen, Hoheit«, sagte Elena. »Damit konzentriert sich zu viel Macht in ihren Händen.«
»Das ist nicht Teil der F u egung«, sagte Dancer störrisch und nahm eine abwehrende Haltung ein. »So etwas steht nirgendwo geschrieben.«
»Es steht nirgendwo geschrieben, weil niemand damit gerechnet hat, dass jemals ein Fluchbringer in den Camps geboren werden könnte«, erwiderte Nightwalker. »Oder dass er lange genug leben könnte, um …«
»Fire Dancers Gabe stammt von der Schöpferin«, ertönte plötzlich eine sehr laute und sehr klare Stimme. »Wer sind wir, dass wir den Willen der Schöpferin hinterfragen?«
Raisa wirbelte herum. Es war Night Bird, die junge Demonai-Kriegerin. Diejenige, die immer noch Reid Nightwalker anbetete.
Verblüfftes Schweigen folgte. Dancer und Han starrten sie einfach nur an, aber am meisten überrascht wirkte Nightwalker.
»Dancers einzigartige Fähigkeiten sind im Moment vielleicht genau das, was wir brauchen«, sprach Night Bird weiter. »Vielleicht sollten wir jede Gabe willkommen heißen, mit der wir diese Königin schützen können.«
Das Erstaunen in Reid Nightwalkers Miene wich einem Ausdruck, als fühlte er sich verraten. »Night Bird, denk nach«, sagte er. »Es gibt Gaben, die man besser ablehnen sollte.«
»Und wer entscheidet darüber?«, fragte Han. »Sicher nicht die Demonai.«
» Ich habe darüber entschieden«, sagte Raisa laut. »Ich habe mich entschieden, Fire Dancers Gabe anzunehmen, und damit ist diese Diskussion beendet. Ihr werdet jetzt alle zur Begräbnisstätte gehen und euch zu den anderen gesellen. Han, Dancer und ich bleiben so lange hier, bis die Gedenkfeier beginnt.«
»Wieso reitet Ihr nicht jetzt gleich mit uns los?«, fragte Nightwalker. Er musterte Han argwöhnisch und machte einmal mehr keinen Hehl daraus, dass er ihm misstraute.
»Ich muss vor allen Bevölkerungsgruppen der Fells als Königin in Erscheinung treten – vor den Vale-Bewohnern, den Magiern und den Spirit-Clans«, erklärte Raisa. »Ich trage bereits Clan-Kleidung. Wenn ich jetzt auch noch zusammen mit den Clans zur Begräbnisstätte reite, sieht es so aus, als würde ich vorrangig zu euch gehören.« Sie sah das Stirnrunzeln um sich herum und fügte hinzu: »Macht euch keine Sorgen, ich habe nicht vor, heute zu sterben.«
Reid Nightwalker bestand darauf, mit einer Handvoll Demonai bei Raisa zu bleiben – für den Fall eines Hinterhalts, wie er sagte. Ob er sich damit auf Han Alister oder jemand anderen bezog, sagte er nicht. Raisa stand mit ihrer kleinen Gruppe am Waldrand; sie sah zu, wie die übrigen Demonai zur
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