Der Zeitspieler
mit einer Kette dazwischen. Ein Schlüssel klickte zweimal, dann deutete es in eine Ecke: »Dort ist dein Bett.«
Immer noch die Röhre auf ihn gerichtet, zog sich der Mann mit dem Mädchen durch die Tür zurück. Während sie den Korridor entlang schritten, hörte Cargill das Mädchen freudig erregt auf den hageren Mann einreden. »... endlich einen von ihnen erwischt«, verstand er.
»Vielleicht sollten wir hier ablegen«, brummte der Mann. »Möglicherweise treiben sich noch mehr von ihnen herum.«
Das Licht in Cargills Kammer erlosch scheinbar von selbst. Er spürte einen Ruck und danach eine Aufwärtsbewegung. Das ist ja ein Luftschiff, dachte er völlig verblüfft.
Unwillkürlich fiel ihm die Warnung ein, die Ann Reece ihm nachgebrüllt hatte: »Hüten Sie sich vor den Schwebern!« Hatte sie damit das hier gemeint? Vorsichtig tastete er sich in der Finsternis in die Ecke mit dem Bett. Er ließ sich erschöpft darauf fallen. Nach einer Weile betastete er die Kette an seinen Füßen. Sie war aus festem Metall und etwa fünfunddreißig Zentimeter lang – keine reine Freude, mit ihr herumhüpfen zu müssen. Verdammt, hätte er sich nur nicht erwischen lassen!
Aber plötzlich war er zu müde zum Denken. Er streckte sich aus und schlief sofort ein.
4.
Cargill war, als schwebe er sanft dahin. Es war ein angenehmes Gefühl, das er noch länger genießen wollte. Darum weigerte sich sein Unterbewußtsein aufzuwachen. Immer wieder versank er in der wohltuenden Dunkelheit. Während dieses ersten Schlafstadiums quälten ihn keine unangenehmen Gedanken, keine Erinnerung, ja nicht einmal Träume. Später jedoch wurde er sich bewußt, daß er sich in irgendeinem Transportmittel befand, das sich bewegte. Er drehte sich unruhig um, dabei drückten die Metallreifen auf seine Fußgelenke, und die Kette klirrte ein wenig. Erschrocken wachte er auf.
Er starrte zu einer gebogenen Metalldecke hoch, und plötzlich kam die Erinnerung zurück. Mit den Fingerspitzen strich er an seinem Bein entlang, bis er die Kette berührte. Sie war hart und kalt und leider nur allzu wirklich. Sein Magen verkrampfte sich.
Als er dabei war, sich aufzusetzen, wurde ihm erst bewußt, daß er nicht allein war. Er drehte langsam den Kopf. Aus dem Augenwinkel sah er, was auf ihn zuschnellte. Es gelang ihm gerade noch, die Hände schützend vors Gesicht zu schlagen. Eine Peitschenschnur zischte über seine Finger und schlang sich um seinen Hals. Seine Haut brannte wie Feuer.
»Steh auf, du Nichtsnutz!« brüllte der hagere Mann mit dem habgierigen Blick. Er stand an der Tür und holte bereits zu einem neuen Hieb aus.
Cargill schnappte nach Luft und schwang die Beine auf den Boden. Er sah rot. Nur das Klirren der Kette, die ihn an seine Lage erinnerte, hielt ihn davon zurück, sich auf den Mann zu stürzen. Ein Gefühl der Verzweiflung wollte ihn übermannen.
Ein zweites Mal schnalzte die Peitsche und zischte auf ihn zu. Cargill duckte sich. Er hatte Glück, daß er die Schnur mit seinem Ärmel abwehren konnte und sie so über seine Schulter hinweg auf die Metallwand traf. Wieder wurde die Peitsche zurückgezogen.
Natürlich erkannte er den Mann als Begleiter des Mädchens. Soviel er sich erinnerte, hatte sie ihn Pa genannt. Bei Tageslicht sah er noch unangenehmer aus. Er war ungepflegt, seine Kleidung schmuddelig. Cargills Schätzung nach durfte er etwa fünfzig sein, aber vielleicht ließen seine schwarzen Bartstoppeln und die verbissenen schmalen Lippen ihn auch älter erscheinen, als er tatsächlich war. Seine Augen, wie er schon gestern abend bemerkt hatte, wirkten habgierig und verschlagen. Sein Gesichtsausdruck verriet seine schlechte Laune. Er trug eine offenbar lange nicht gewaschene Hose und ein vor Schmutz fast starrendes Hemd, das vorn offenstand und eine flache behaarte Brust freigab. Wie ein bissiger Köter fletschte er die Zähne. »Verdammter Faulenzer, sieh zu, daß du endlich deinen Hintern erhebst!«
Wenn er mich noch einmal zu schlagen versucht, dachte Cargill, werfe ich mich auf ihn. Laut sagte er: »Was wollen Sie denn von mir?«
Diese Antwort schien die Wut des anderen nur noch anzustacheln. »Ich werde dir schon noch beibringen, was ich von dir will!« knurrte er. Die Peitsche schnalzte erneut und hätte Cargill voll getroffen, hätte er sich nicht unter der Schnur hindurch auf den Mann gestürzt. Der heftige Zusammenstoß raubte ihm den Atem, aber er warf seinen Peiniger auch mit voller Wucht gegen den
Weitere Kostenlose Bücher