Mias verlorene Liebe
1. KAPITEL
„Darf ich mich dazusetzen?“
„Ja, natürlich. Ich bin sowieso gerade fertig.“ Mia blickte auf, und ihr freundliches Lächeln gefror, als sie sah, wer da in dem überfüllten Coffeeshop an ihrem Tisch stand. Sie erkannte ihn sofort wieder.
Ethan Black! Groß. Stattlich. Beeindruckend. Arrogant. Von magnetischer Anziehungskraft – noch immer …
Mia holte tief Luft und hob kämpferisch das Kinn, während sie in Bruchteilen von Sekunden jede Einzelheit seiner Erscheinung in sich aufnahm. Fünf Jahre waren vergangen, seit sie Ethan das letzte Mal gesehen hatte. Sein jetzt sehr kurz geschnittenes Haar war immer noch tiefschwarz, sein Gesicht immer noch so auffallend attraktiv wie damals mit seinen intensiv blickenden grauen Augen, den ausgeprägten Wangenknochen, der geraden schmalen Nase und über einem energischen Kinn der sinnliche Mund. Auf diesem lag allerdings kein Lächeln.
Also immer noch der Alte … und doch gleichzeitig verändert.
Mia war inzwischen fünfundzwanzig – also musste Ethan heute einunddreißig sein. Dieser Altersunterschied schien sich in dem zynischen Ausdruck seiner Augen zu spiegeln, die ungefähr so warm und farbig wirkten wie ein trüber Wintertag. Ethans Gesicht wirkte schmaler als früher, und um die Augen und Mundwinkel zeichneten sich feine Fältchen ab.
Er war ganz in Schwarz gekleidet – bis hinunter zu den handgefertigten italienischen Lederschuhen. Seinen wadenlangen Kaschmirmantel trug er lässig geöffnet über einem maßgeschneiderten schwarzen Anzug.
Da er Mia um eine ganze Kopflänge überragte, bekam sie vom bloßen Aufblicken zu ihm allmählich einen steifen Nacken.
„Ethan“, presste sie schließlich hervor. Sie nickte zaghaft. Es war sinnlos, so zu tun, als würde sie ihn nicht wiedererkennen. Oder als wüsste sie nicht, dass seine Anwesenheit in diesem Coffeeshop, der Mia gehörte und von ihr geführt wurde, kein Zufall sein konnte.
In seinen Zügen lag etwas Hartes – eine gewisse überhebliche Strenge, die zu den Veränderungen passte, die Mia an ihm bemerkte. Die gleiche Arroganz der Macht, wie sie auch der Mann ausstrahlte, für den er arbeitete – Mias Vater …
Sie hob tadelnd die Augenbrauen. „Eigentlich ist es üblich, sich an der Theke Kaffee und Gebäck zu holen, bevor man sich setzt.“
„Und wenn ich keinen Kaffee möchte … ganz zu schweigen von Gebäck?“
„Dann war es ein Irrtum, in einen Laden zu gehen, in dem nichts anderes angeboten wird als Kaffee und Gebäck.“
„Es handelt sich aber nicht um einen Irrtum, Mia.“
„Ach, natürlich! Der allwissende Ethan Black macht ja keine Fehler.“
Stoisch überging Ethan die schnippische Bemerkung. „Könnten wir vielleicht woanders hingehen? Wo es etwas … intimer ist? Er blickte sich in dem gemütlichen Gastraum um – überfüllt mit plaudernden und lachenden Menschen, die heiße Getränke und Backwaren genossen.
„Tut mir leid.“ Mias Ton ließ jedoch keinerlei Bedauern erkennen. Sie schlug die Zeitschrift zu, in der sie geblättert hatte. „Meine Pause ist vorbei, und wie du siehst, haben wir im Moment alle Hände voll zu tun.“
Ethan wich keinen Millimeter. Mia hätte ihn schon zur Seite schieben müssen, um an ihm vorbeizukommen. „Ich bin mir sicher, dass du als Besitzerin dir jederzeit eine kleine Auszeit nehmen kannst.“
„Offensichtlich will ich das aber nicht.“ Es überraschte Mia ganz und gar nicht, dass Ethan wusste, wem dieser Coffeeshop gehörte. Wenn er schon wusste, wo sie an einem Donnerstagnachmittag um halb fünf zu finden war, dann würde er auch andere Dinge gründlich recherchiert haben.
„Gut, ich warte einfach, bis du hier fertig bist.“
„Aber nicht, ohne dir Kaffee und Kuchen zu holen!“
„In Ordnung“, erwiderte Ethan ungerührt. „Oder wir treffen uns später woanders.“
Es gab einmal eine Zeit – in einem anderen Leben –, da wäre Mia begeistert gewesen von der Aussicht, sich mit Ethan zu treffen. Egal wann und wo.
Es gab einmal eine Zeit …
Das klingt fast wie der Anfang eines Märchens, dachte Mia. Wahrscheinlich lag genau darin der Fehler: Sie hatte sich einer Illusion hingegeben.
Sie seufzte auf. „Wie hast du mich eigentlich gefunden?“
„Du meinst, nachdem es deinem Vater fünf Jahre lang nicht gelungen ist?“
„Ach, hat er das so lange versucht?“
„Wir sollten wirklich woanders hingehen, wo wir ungestört sind.“
„Habe ich nicht gerade Nein gesagt?“
Irritiert runzelte Ethan die
Weitere Kostenlose Bücher