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Der Zementgarten

Der Zementgarten

Titel: Der Zementgarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McEwan
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Landung wieder in den Weltraum hinaus, und stundenlang sprach keiner von ihnen. Sue deckte ihren Mund auf und flüsterte scharf, »Worauf wartest du?« Ich beugte mich über den Spalt und leuchtete nach unten. Ich sah eine geschnörkelte, gelblichgraue Oberfläche. Am Rand war etwas Schwarzes, Ausgefranstes. Unter meinem Blick formte sich die Fläche kurz zu einem Gesicht, einem Auge, dem Teil einer Nase und einem Mund. Das Bild löste sich wieder in Schnörkel auf. Ich glaubte vornüberzufallen und gab Sue die Taschenlampe. Aber das Gefühl wich, als ich sah, wie sie sich über die Kiste beugte. Wir gingen in den Gang und schlossen die Tür hinter uns.
    »Hast du gesehen?« sagte Sue. »Das Laken ist ganz zerrissen und man kann ihr Nachthemd darunter sehen.« Einen Augenblick waren wir sehr aufgeregt, als hätten wir entdeckt, daß unsere Mutter in Wahrheit noch lebte. Wir hatten sie im Nachthemd gesehen, genau wie sie war. Beim Hinaufgehen sagte ich, »Der Geruch ist nicht so schlimm, wenn man sich daran gewöhnt hat.« Sue lachte halb und weinte halb und ließ die Taschenlampe fallen. Hinter uns konnten wir wieder die Ratten hören. Sue atmete tief durch und bückte sich nach der Taschenlampe. Als sie sich aufrichtete, sagte sie, »Wir müssen nochmal Zement besorgen«, und ihre Stimme war ganz gleichmäßig dabei.
    Oben auf der Treppe stießen wir auf Derek. Über seine Schulter hinweg konnte ich Julie in der Mitte der Küche sehen. Derek versperrte uns den Weg aus dem Keller.
    »Also, Geheimnisse könnt ihr nicht gut hüten«, sagte er freundlich. »Was habt ihr denn da unten, was so gut riecht?« Wir schoben uns an ihm vorbei, ohne zu antworten. Sue ging zum Spülbecken und trank Wasser aus einer Teetasse. Die Flüssigkeit machte in ihrer Kehle ein sehr lautes Geräusch. Ich sagte, »Es geht dich eigentlich nichts an.« Ich drehte mich zu Julie um und hoffte, ihr würde etwas einfallen. Sie ging zu Derek, der in der Öffnung zur Kellertür stand, und wollte ihn sanft am Ärmel wegziehen.
    »Komm, sperren wir die Tür zu«, sagte sie, »der Geruch geht mir auf die Nerven.« Derek zog den Arm weg und sagte noch einmal freundlich, »Aber ihr habt mir noch immer nicht gesagt, was es ist.« Er rieb sich den Jackenärmel, wo Julie daran gezogen hatte und lächelte uns an. »Ich bin eben sehr neugierig.« Wir schauten ihm zu, wie er sich umdrehte und die Treppe hinunterging. Wir hörten, wie seine Schritte aufhörten, als er nach dem Lichtschalter tastete, und dann weiterliefen bis zum letzten Raum. Und dann gingen wir hinter ihm her, zuerst Julie, dann Sue, dann ich.
    Derek zog ein blaßblaues Taschentuch aus der Brusttasche, schüttelte es aus und hielt es sich nicht an, sondern vor das Gesicht. Ich war entschlossen, mit nichts auszukommen und atmete rasch durch die Zähne. Derek klopfte mit dem Stiefel gegen die Kiste. Meine Schwestern und ich standen in einem flachen Halbkreis hinter ihm, als sollte eine wichtige
    Zeremonie stattfinden. Er folgte mit dem Finger dem Lauf des Spalts und lugte hinein.
    »Was immer da drin ist, ist jedenfalls durch und durch verfault.«
    »Es ist ein toter Hund«, sagte Julie plötzlich leichthin, »Jacks Hund.« Derek grinste.
    Ich sagte, »Du hast versprochen, daß du es nicht verrätst.«
    Julie zuckte die Achseln und sagte, »Das ist jetzt egal.« Derek beugte sich über die Kiste. Julie fuhr fort, »Er hat sich etwas vorgestellt wie eine Gruft. Er hat sie da hineingelegt, als sie tot war, und dann überall Zement darüber geschüttet.« Derek brach ein Stück Zement ab und warf es in der Hand hoch.
    »Du hast die Mischung nicht gut hingekriegt«, sagte er, »und die Kiste hält das Gewicht nicht aus.«
    »Der Geruch ist schon im ganzen Haus«, sagte Julie zu mir, »du mußt da jetzt was unternehmen.« Derek wischte sich die Hände sorgfältig an seinem Taschentuch ab.
    »Ich meine, da ist eine Neubestattung fällig«, sagte er, »im Garten vielleicht. Neben deinem Frosch.« Ich ging zu der Kiste und stieß leicht mit dem Fuß dagegen wie Derek vorhin.
    »Ich will nicht, daß sie hier wegkommt«, sagte ich bestimmt. »Nicht nach der ganzen Schufterei.«
    Derek ging uns voraus aus dem Keller. Als wir oben waren, versammelten wir uns alle im Wohnzimmer. Derek fragte mich nach dem Namen meines Hundes, und ich sagte ohne zu überlegen, »Cosmo.« Er kam näher, legte mir die Hand auf die Schulter, und sagte, »Also, dann müssen wir den Spalt mit Zement ausgießen und hoffen, daß die

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