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Der Zementgarten

Der Zementgarten

Titel: Der Zementgarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McEwan
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Frosch begraben«, sagte ich. Aber Derek stocherte weiter, bis er die Froschleiche umdrehte, die ganz mit Schmutz verkrustet war.
    »Schau«, sagte er, »der ist überhaupt nicht tot.« Er versenkte und drehte seinen Absatz in meinem Frosch und deckte ihn wieder mit Erde zu. Das alles machte er mit einem Bein, und ohne sich den Regenmantel von der Schulter zu nehmen. Er roch nach Parfüm, irgendeinem After-Shave oder Kölnisch Wasser. Ich ging weiter in den Garten zu dem kleinen Pfad, der sich den Steingarten hinaufwand. Derek ging dicht hinter mir her, wir gingen in Kehren hinauf, und dabei in engen kleinen Kreisen aneinander vorbei wie Kinder bei einem Spiel.
    »Julie ist doch da, oder?« sagte er. Ich sagte ihm, sie brächte Tom zu Bett, und dann, als wir dicht nebeneinander versuchten, oben unser Gleichgewicht zu halten, »Er schläft jetzt in ihrem Zimmer.« Derek nickte schnell, als wüßte er das schon, und faßte sich an den Krawattenknoten.
    Wir starrten zu unserem Haus hinüber. Wir standen so dicht, daß ich Pfefferminz in seinem Atem riechen konnte, als er sprach.
    »Komischer Kleiner, dein Bruder, wie? Ich meine, sich als Mädchen anzuziehen.« Er lächelte mich an und schien auch von mir ein Lächeln zu erwarten. Aber ich verschränkte die Arme und sagte, »Was ist denn daran komisch?« Derek kletterte den Steingarten hinunter und benutzte dabei die Pfade als Stufen, und als er unten war, faltete er sich umständlich den Regenmantel über den Arm. Er hustete und sagte, »Es könnte sich auf sein späteres Leben auswirken, weißt du.« Ich kletterte auch hinunter, und wir gingen aufs Haus zu.
    »Was willst du damit sagen?« fragte ich ihn. Wir standen vor der Küchentür. Derek starrte durch das Fenster und antwortete nicht. Die Tür zum Wohnzimmer stand offen, und wir konnten Sue allein dasitzen und eine Illustrierte lesen sehen.
    Plötzlich sagte Derek, »Wann genau sind eure Eltern gestorben?«
    »Schon lange her«, murmelte ich und stieß die Küchentür auf. Derek packte mich am Arm.
    »Moment«, sagte er. »Julie hat mir gesagt, es wäre vor kurzem gewesen.« Vom Wohnzimmer her rief Sue meinen Namen. Ich riß meinen Arm los und ging hinein. Derek flüsterte mir nach, ich solle zu ihm zurückkommen, und dann hörte ich ihn die Füße sorgfältig abstreifen, bevor er in die Küche trat.
    Sobald Derek ins Zimmer kam, ließ Sue ihre Illustrierte fallen und rannte in die Küche, um ihm eine Tasse Tee zu kochen. Sie behandelte ihn wie einen Filmstar. Er ging umher, den Mantel zu einem genauen Viereck gefaltet, und sah sich um, wo er ihn hinlegen könnte, und Sue sah ihm von der Türöffnung her zu wie ein verängstigtes Kaninchen. Ich setzte mich hin und schaute Sues Illustrierte an. Derek legte seinen Mantel auf den Fußboden neben einen Stuhl und setzte sich auch.
    Sue sagte von der Küche her, »Julie ist oben bei Tom.« Ihre Stimme war ganz zittrig.
    »Dann warte ich hier unten auf sie«, rief Derek. Er schlug die Beine übereinander und zupfte an seinen Manschetten, so daß sie in der richtigen Länge unter seinem Anzug hervorschauten. Ich blätterte in der Illustrierten, ohne etwas davon aufzunehmen. Als Derek von Sue die Teetasse nahm, sagte er, »Danke, Susan«, mit einer komischen Stimme, und sie kicherte und setzte sich so weit wie möglich von ihm weg. Als er dann seinen Tee umrührte, sah er direkt zu mir hin und sagte, »Es riecht komisch hier drin. Habt ihr das auch bemerkt?« Ich schüttelte den Kopf, merkte aber, daß ich rot wurde. Derek sah mich an und nippte. Er hob den Kopf und schnüffelte laut. »Kein starker Geruch«, sagte er, »aber sehr sonderbar.« Sue stand auf und fing an, hastig zu reden.
    »Es ist der Abfluß außen bei der Küche. Er verstopft sich sehr leicht im Sommer. weißt du.«
    Dann, nach einer Pause, sagte sie nochmal, »Es ist der Abfluß.«
    Derek nickte, während sie redete, und schaute mich an. Sue ging zu ihrem Stuhl zurück, und noch lange danach sprach niemand.
    Keiner von uns hörte Julie ins Zimmer kommen, und als sie sprach, schreckte Derek auf.
    »Still hier«, sagte sie leise. Derek richtete sich gerade auf wie ein Soldat und sagte sehr höflich, »Guten Abend, Julie.« Sue kicherte. Julie hatte ihren Samtrock an und ihr Haar mit einem weißen Band nach hinten gebunden. Derek sagte, »Wir haben über den Abfluß gesprochen«, und wollte Julie mit einer steifen kleinen Handbewegung in seinen Sessel bugsieren. Aber sie kam zu mir und ließ sich auf meiner

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