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Der Ziegenchor

Der Ziegenchor

Titel: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Halsband zu holen, das ich von den thessalischen Prinzen als Abschiedsgeschenk erhalten hatte und das zu jener Zeit das wertvollste Einzelstück war, das ich besaß.
    Ich habe mal von einem Syrer einen Dreifuß gekauft; es war ein herrliches Stück, das über und über mit bronzenen Löwenköpfen, Lapislazuli- und Glaseinlagen verziert war. Doch war der Dreifuß viel zu teuer, und als mir ein Mann anbot, ihn mir abzukaufen, ging ich mit Freuden darauf ein, da ich mich schon immer darüber geärgert hatte, soviel Geld ausgegeben zu haben. Kaum hatte ich dem Mann das wertvolle Stück ausgehändigt, bereute ich mein Tun und suchte ihn schließlich auf, um ihn zu bitten, mir den Schemel zurückzuverkaufen. Er war ein hinterhältiger Mensch, der mit allen Wassern gewaschen war, und nun einiges mehr für den Dreifuß verlangte, als er mir gegeben hatte. Aber schließlich gab ich ihm die verlangte Summe und nahm den Dreifuß mit mir nach Hause. Erst dort fiel mir auf, daß einer der kleinen bronzenen Löwenköpfe abgebrochen war und die meisten Lapislazuli-Einlagen mit einem kleinen Messer herausgebrochen worden waren, wahrscheinlich um sie für Ohrringe zu verwenden. Trotzdem hatte ich nicht das Gefühl, daß mein kostbarer Dreifuß durch diese Beschädigungen ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen worden war; ich empfand ihn dadurch sogar als noch wertvoller und habe ihn nie reparieren lassen.
    Als wir in Eleusis eintrafen, war es schon fast dunkel, und Phaidras Onkel, dessen Name Parmenides lautete, stand gerade vor dem Haus.
    »Ich weiß gar nicht, was du hier willst«, begrüßte er mich abweisend. »Ich habe immer gehofft, es würde dir reichen, Schaden anzurichten. Mußt du dich jetzt auch noch an deiner Schadenfreude weiden?«
    Parmenides war kleiner als ich, und ich hatte keine Angst vor ihm. »Sieht das etwa wie Schadenfreude aus?« fragte ich ihn und schwenkte das thessalische Halsband unter seiner Nase. »Wo ist Phaidra? Ich will sie sehen.«
    »Sie hat mir aufgetragen, dir nicht zu sagen, wo sie ist«, erwiderte Parmenides in bestimmtem Ton, als wäre sein Haus so groß wie das Labyrinth. In Wirklichkeit war es ganz klein, und ich konnte über seine Schulter hinweg in den Hauptraum blicken. Dort war sie nicht, also mußte sie sich im Innenraum oder oben aufhalten.
    »Macht nichts, ich werde Phaidra auch so finden«, entgegnete ich. »Dazu brauche ich nur sämtliche Türen deines Hauses aufzubrechen, das ist alles. Also los, kleiner Zeus. Sieh dich schon mal nach einem Gegenstand um, den man als Hammer benutzen kann.«
    Das Gesicht des kleinen Zeus hellte sich auf, denn er liebte es von ganzem Herzen, etwas zu zerschlagen – er hielt das, glaube ich, für ziemlich adelig –, schob sich an Parmenides vorbei und ergriff einen großen bronzenen Lampenständer.
    »Sie ist im Innenraum«, verriet Parmenides. »Und falls du irgendwas kaputtmachen solltest, werde ich einen Zeugen holen.«
    Ich dankte ihm und ging wie der auf Rache sinnende Odysseus entschlossen auf die Innentür zu. Als ich meine Hand darauf legte, hörte ich den Riegel nach oben gehen.
    »Dann wollen wir doch mal sehen, was man mit solch einem Lampenständer alles anrichten kann!« schrie ich, doch bevor der kleine Zeus die Gelegenheit hatte, damit zuzuschlagen, stand Parmenides neben mir und hämmerte mit den Fäusten gegen die Tür.
    »Phaidra, ich bin’s, dein Onkel!« rief er flehentlich. »Öffne bitte sofort die Tür. Ich wünsche keine Gewalt in meinem Haus.«
    Diese Worte verfehlten allerdings ihre Wirkung, woraufhin der kleine Zeus mit Heraklesmiene und dem Lampenständer in beiden Händen vortrat, doch ich hielt ihn zurück. Er zuckte die Achseln und stellte den Lampenständer genau dorthin zurück, wo er gestanden hatte, denn er war ein sehr ordentlicher Mensch.
    »Zum letztenmal, Phaidra!« rief Parmenides gerade. »Wirst du die Tür jetzt öffnen, oder soll ich den Tischler holen lassen?« Ich überließ ihm diese Entscheidung und schlich mich zur Tür hinaus. Dann ging ich um das Haus herum, und tatsächlich befand sich auf der Rückseite ein hübsches großes Fenster. Die Läden waren zugezogen, aber nicht verriegelt. Nachdem ich sie behutsam aufgeklappt hatte, kletterte ich hinein.
    Phaidra lehnte sich gegen die Tür und bereitete sich augenscheinlich innerlich darauf vor, dem Angriff des Lampenständers bis zum letzten Blutstropfen Widerstand zu leisten. Offensichtlich hatte sie mich nicht hereinkommen hören. Mit vorsichtigen

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