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Der Zimmerspringbrunnen

Der Zimmerspringbrunnen

Titel: Der Zimmerspringbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Sparschuh
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verstaute ich am Abreisemorgen das Stullenpaket, zwei Bierbüchsen und die »Mach mal Pause« mit den Kreuzworträtseln. Julia brachte mich noch mit dem Auto zum Bahnhof Zoo.
    Ohne Zwischenfall ging es bis Freiburg durch.
    Dort mußte ich in einen Vorortzug umsteigen. Die »Höllentalbahn«, so hieß das Gefährt. Den Schwarzwald kannte ich bisher nur aus der Serie. Aber er war auch so.
    Eine Bahnstation hieß »Himmelreich«. Die nächste mußte ich schon raus. Kaum war ich aus dem Zuggestiegen, merkte ich, daß es in dieser wahnsinnig aufgeräumten Weltgegend schwierig werden dürfte, unauffällig meine Zigarettenkippe zu entsorgen, und ich hatte auf einmal das Gefühl, daß es auch für mich hier schwierig sein würde, einen Platz zu finden. Rundum war ich von Bergen umstellt. Kein Fluchtweg. Die Bahn setzte sich lautlos in Bewegung und entschwand. Ich war nun unwiderruflich angekommen.
    Auf dem Fahrplan sah ich als erstes nach, wann von hier die Züge wieder abfuhren. Der letzte ging halb elf.
    Ich machte mich auf die Suche nach meiner Pension. Im Brief stand: »ca. zehn Minuten vom Bahnhof entfernt«. (Nachher wurde mir klar, daß alles in Bad Sülz ungefähr zehn Minuten vom Bahnhof entfernt liegt). Ich brauchte aber doppelt so lange, weil ich unterwegs, in der weitläufigen, unübersichtlichen Kurparkanlage, auf einen Rundweg – mit Aussichtspunkt! – geraten war.
    Aus den Bergen, im letzten Tageslicht, kehrten die Wanderer zurück; festes Schuhwerk, fester Blick. Sie steuerten die Gasthöfe und Pensionen an. Der kleine Ortskern rund um den Springbrunnen belebte sich. Wenige Schritte hinter der gelben, von verdeckten Scheinwerfern angestrahlten Kirche fand ich den »Föhrentaler Hof«.
    Als die Pensionschefin zunächst meinen Namen auf der Zimmerbelegungsliste nicht fand, glaubte ich schon, es wäre alles eine Verwechslung, und ich war schon froh, wieder abfahren zu können, den Zug halb elf würde ich ja bequem schaffen … Doch dann blieb ihr Finger unwiderruflich auf einer Nummer stehen – mein Name (in Klammern) war unter dem Stichwort Panta Rhein eingetragen.
    In meinem Zimmer setzte ich mich auf das Doppelbett und starrte ergebnislos die geblümte Wand an. Danntrank ich die verbliebene Büchse Bier aus. Später, am Abend, ging ich noch ein bißchen mit mir spazieren. Nicht lange, es wurde schnell kühl. Außerdem, mir fehlte Freitag. Ich war es gar nicht mehr gewöhnt, alleine spazierenzugehen. Ein Hund, auch wenn er einen hin und her ziehen will, gibt einem schließlich eine bestimmte Richtung, ein Ziel – selbst wenn es dann doch nur (aus erzieherischen Gründen!) ausgerechnet dorthin gehen muß, wo der Hund gerade nicht hin will.
    Den Ortskern hatte ich in knapp zehn Minuten umrundet. Er war hell erleuchtet, wie eine Theaterkulisse, nur menschenleer. Zeitig ging ich ins Bett, ich mußte ja fit sein.
    Augen zu und –
    Am nächsten Tag, kurz vor neun, trafen wir uns im Foyer des Tagungsgebäudes: ein flacher Konferenzbau aus Stahl und Glas – Blick auf ein in Nebelschwaden schwimmendes Tal.
    Die meisten hier kannten sich schon, begrüßten sich; man stand in Gruppen. Zum Glück hatte ich den schwarzen Aktenkoffer bei mir. Er war zwar leer, verschaffte mir aber eine gewisse Legitimation. Ich legte ihn behutsam, wie eine Bombe, auf dem Tischchen ab, als ich mich in die Teilnehmerliste einzutragen hatte. Dann, um nicht so bestimmungslos herumstehen zu müssen, ging ich in den hinteren, künstlich abgedunkelten Teil des Foyers. Dort waren die Firmenmodelle ausgestellt – eine buntschimmernde, feucht-fröhliche Wunderwelt, in deren Betrachtung ich mich ungläubig staunend vertiefte!
    Zuerst fiel mein Blick auf eine nackte weiße Jungfrau: die Beine elegant angewinkelt, saß sie auf ihrer rechten Hinterhälfte, ihr linker Arm umschlang eine bauchigeVase, während die Finger der rechten Hand graziös deren oberes Ende abstützten. Aus der Vasenöffnung ergoß sich unablässig Wasser in ein nierenförmiges Auffangbecken. Einige Schritte weiter: ein römischer Kaskadenbrunnen – die zarten, durchsichtigen Schleier des von Schale zu Schale herablaufenden Wassers (blau erleuchtet!) verströmten eine verführerische nächtliche Atmosphäre … Dann: eine kleine, feuchtglänzende Felslandschaft, üppig von künstlichem Moos überwuchert, aus deren Spalten hervor mehrere ewige Quellen sprudelten. Besonders schön: ein Edelstahlfrosch, aus dessen offenem Maul Wasser aufstieg, das am Ende als feiner

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