Hamilton, Edmond - CF12 - Held der Vergangenheit

I
    Menschen aus einem anderen Kosmos
     
    Wie ein riesiges rotes Auge blickte der Mars aus dem sternenübersäten Himmel auf das blühende Paradies seines kleinen Mondes Deimos hinab. Der winzige Satellit war ein von Menschenhand geschaffenes Märchenreich mit künstlicher Luft, künstlichem Wasser und künstlicher Gravitation.
    Die laue nächtliche Brise fuhr durch die Wipfel der hohen Bäume, die sich im rosa Leuchten des Planeten majestätisch verneigten. Im Buschwerk am Ufer der schmalen Bäche, die durch die schattigen Parks der metallenen Villen flossen, hockten zwitschernde Vögel. Für die Marsianer war dieser Gartenmond ein Hort des Friedens und der Schönheit.
    Doch der Marsianer, der vor einem kleinen Chromathaus stand und den Himmel musterte, war alles andere als friedlich gestimmt.
    »Warum kommen sie denn nicht?« murmelte er angespannt vor sich hin. Verzweifelt suchten seine Augen den Himmel ab. »Wir haben nur noch eine einzige Stunde Zeit …«
    Tiko Thrin war ein ältlicher Marsianer, ein kleiner, verrunzelter Mann von roter Hautfarbe, der trotz der nächtlichen Wärme einen Mantel aus Synthowolle trug. Sein unglaublich großer, kahler Kopf neigte sich tief in den Nacken hinab, während er hinter dicken Brillengläsern verzweifelt und ungeduldig emporstarrte.
    Plötzlich verspannte sich sein ganzer Körper, als das leise Dröhnen von Raketenröhren erklang. Ein leuchtender Punkt zog seine Bahn am Sternenhimmel und senkte sich mit einer ausholenden Schleife im Gleitflug auf den kleinen Mond herab. Schließlich wurde er immer größer, bis der Marsianer ihn als schlanken Raketenkreuzer erkannte, der mit stakkatoartigem Dröhnen zur Landung ansetzte.
    Angstvoll machte Tiko Thrin einen Satz zurück, doch da setzte der Kreuzer bereits mit flammenden Kiel- und Bremsraketen sanft auf dem Rasen auf. Die Luke öffnete sich, und eine schlanke junge Frau mit dunklem Haar in weißen, eng angliegenden Raumfahrerhosen trat in das rosa Licht des Planeten. Sie lachte schallend.
    »Was ist los? Hat mein Landemanöver Ihnen einen Schrecken eingejagt, Tiko?«
    Joan Randall, ihres Zeichens Geheimagentin der Regierung des Sonnensystems, bot einen jungenhaft hübschen Anblick, wie sie da auf ihn zukam.
    »Wo sind Captain Future und seine Mannschaft?« fragte Tiko sofort.
    Joan machte eine ausladende Handbewegung in Richtung Kreuzer.
    »Da kommt das Gehirn gerade. Ich habe Simon mitgebracht, die anderen werden auch bald eintreffen.«
    Aus dem Raumschiff schwebte eine gespenstische Gestalt: ein viereckiger Behälter aus Transparentmetall, der auf beinahe unsichtbaren magnetischen Triebstrahlen mitten in der Luft ruhte.
    Das war das Gehirn, ein Mitglied der berühmten Future-Mannschaft. Sein Behälter enthielt Serum und raffinierte Geräte, die es am Leben hielten. An der Stelle, wo sich das »Gesicht« des Behälters befand, waren die gläsernen, linsenähnlichen Augen auf flexiblen Stengeln angebracht, ebenso wie sein Sprachorgan, ein Mikrofonmund.
    Vor langer Zeit war das Gehirn ein ganz normaler Erdmensch namens Doctor Simon Wright gewesen, ein brillanter Wissenschaftler, der im Sterben lag und dessen Gehirn vor seinem Tod gerettet worden war.
    Leise glitt das Gehirn auf die hübsche junge Frau von der Erde und den alten Marsianer zu. Die beiden kannten Simon Wright gut.
    »Warum ist Captain Future nicht mitgekommen?« fragte Tiko voller Unruhe. »Ich hatte Ihnen in meiner Nachricht doch gesagt, daß es dringend sei!«
    Das Gehirn, das sich neben den beiden postiert hatte, musterte den aufgeregten kleinen Marsianer mit ausdruckslosen Augen.
    »Captain Future ist mit Otho und Grag vor einer Woche zur Venus geflogen«, sagte Simon mit schnarrender, metallischer Stimme. »Sie haben Ezra dabei unterstützt, irgendwelchen Ärger mit den Sumpfmenschen dort zu schlichten. Aber ich habe ihnen per Teleaudio mitgeteilt, daß sie hierherkommen sollen. Sie müßten jeden Augenblick’ eintreffen.
    Warum haben Sie uns gerufen?« fuhr das Gehirn fort. »Sie haben mich bei einem äußerst faszinierenden Experiment unterbrochen.«
    »Ja, Tiko, was ist los?« fragte Joan. »Man kann die Future-Leute nicht wegen irgendwelcher Kleinigkeiten durch die Gegend scheuchen.«
    Tiko Thrins faltiges rotes Gesicht nahm einen ernsten Ausdruck an.
    »Es ist auch keine Kleinigkeit. Das, was heute abend hier geschieht, wird eine neue Epoche in der Geschichte des Sonnensystems einleiten.« Er machte eine Kunstpause. »Ich habe eine Verbindung mit einem