Der zweite Weltkrieg
Diktaturen, die beliebig handeln, sind demokratische Regierungen einem realpolitischen Imperativ verpflichtet: Zu tun ist, was im nationalen Interesse liegt.
1. Warnende Vorzeichen
Die sich in den meisten Ländern von 1929 bis 1933 auswirkende konjunkturelle und die danach noch fortdauernde strukturelle Krise der Weltwirtschaft brachten soziale sowie ökonomische Verwerfungen, förderten das Autarkiestreben und verführten zur arbeitsintensiven Aufrüstung.
Aus solchem Blickwinkel ist die 1931 beginnende japanische Besetzung der Mandschurei zu sehen. Ein Jahr später zählte die reiche chinesische Provinz, als Satellitenstaat Mandschukuo, zu Japans Machtbereich. Das rohstoffarme, dicht bevölkerte und exportabhängige Kaiserreich verfügte damit über Bodenschätze, Siedlungsraum und einen großen Absatzmarkt.
Washington, London und Paris wähnten ihre handelspolitischen und kolonialen Belange nicht bedroht, sie reagierten daher zurückhaltend. Hingegen schloss Generalsekretär Josef W. Stalin, der die Gefahr eines Zweifrontenkriegs mit den Revisionisten erkannte, am 25. Juli mit Warschau sowie am 29. November 1932 mit Paris Nichtangriffsverträge ab.
Der Völkerbund unternahm einen Schlichtungsversuch. Japan sollte, sofern es Chinas Oberhoheit in der Mandschurei akzeptierte, dort weitgehenden Einfluss behalten. Trotzdemlehnte Tokyo ab und trat, am 24. Februar des Angriffskriegs beschuldigt, am 27. März 1933 aus dem Völkerbund aus. Im Endeffekt blieb der Angreifer unbestraft.
Das Ergebnis dieser Herausforderung des Völkerbunds ermutigte Mussolini und Hitler. Letzterem ging es nach dem Regierungsantritt zunächst um die absolute Macht im Innern, die er ab August 1934 besaß, den ökonomischen Aufschwung, der sich zum Wirtschaftswunder zu entwickeln schien, und den Aufbau einer modernen, den anderen Mächten überlegenen kriegsfähigen Wehrmacht. Um das dritte Ziel nicht zu gefährden, steckte er außenpolitisch einen Kurs ab, der es gestattete, die schon in der Weimarer Republik begonnene geheime Aufrüstung solange fortzusetzen, bis die eigene militärische Stärke das Risiko von Sanktionen, das der Ausbau der Streitkräfte mit sich brachte, stark verringerte.
Dem entsprach die auswärtige Politik bis 1935, obwohl die Deutschen am 14. Oktober 1933 viel wagten: Sie verließen die Genfer Abrüstungskonferenz, deren Verlauf ihre Geheimrüstung in Gefahr brachte, und zogen aus dem Völkerbund aus. Da die Großmächte vor politischen Verwicklungen zurückschreckten, blieben Berlin nachteilige Folgen erspart.
Hitler, der grundsätzlich bilaterale Abmachungen vorzog, war somit nicht mehr in das System kollektiver Konfliktlösung eingebunden. Nach dem aufsehenerregenden Abschluss des Konkordats mit der Kurie (20.7.33) bedeutete der deutsch-polnische Nichtangriffsvertrag (26.1.34) erneut einen großen Erfolg. Der Pakt, der die Lage an der Ostgrenze entspannte, gehörte für den Diktator zur Vorbereitung des Kriegs gegen die Sowjetunion. Aber trotz des Übereinkommens mit Warschau geriet das Regime 1934 in außenpolitische Schwierigkeiten. Als Nazis am 25. Juli 1934 den österreichischen Bundeskanzler Engelbert Dollfuß ermordeten, drohte kurzzeitig sogar ein bewaffneter Konflikt mit dem ideologisch verwandten Italien.
Beruhigung hätte der 1. März 1935 bringen können, an dem das Saargebiet ins Reich zurückkehrte. Hitler nutzte das Ereignis jedoch nicht, um einzulenken, vielmehr beantworteteer das korrekte Verhalten des Völkerbunds bei der Volksabstimmung an der Saar (13.1.35) mit weiteren Vertragsverletzungen. Am 9. März wurde der Aufbau der Luftwaffe enttarnt, am 16. die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht bekanntgemacht. Es kam zu Reaktionen. Frankreichs Ministerpräsident Pierre-Etienne Flandin, Englands Premierminister James Ramsay MacDonald und Mussolini berieten (11. bis 14.4.35) in Stresa über Gegenmaßnahmen. Ihre Abschlusserklärung fiel eindeutig aus. Auch der Völkerbund verurteilte das deutsche Vorgehen. Im Mai unterschrieben Prag, Paris und Moskau Beistandsverträge. Zeichnete sich ein internationaler Abwehrblock ab, die von Hitler be- und gefürchtete „Einkreisung“?
Der Schein trog, denn London, das seine sich ankündigende Gefährdung durch Deutschlands See- und Luftrüstung begrenzen wollte, schloss am 18. Juni mit Berlin ein Flottenabkommen. Zwar sicherte dieses der
Royal Navy
auf absehbare Zeit eine beruhigende Überlegenheit, aber die Deutschen, die
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