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Der Zwergenkrieg

Der Zwergenkrieg

Titel: Der Zwergenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Waffe zum Angriff, doch zur Parade war sie denkbar ungeeignet. Alberich fing zwei Schläge mit dem Stahlgriff ab, musste dann jedoch mehrere Schritte zurückweichen. Im selben Augenblick sprang Mütterchen an seine Seite. An Kraft hatte sie dem Nordling nichts entgegenzusetzen, doch was das Geschick mit der Klinge anging, war sie ihm durchaus gewachsen. Schneller, als ihr greises Äußeres es vermuten ließ, tauchte sie unter einem Angriff hinweg und rammte dabei ihre Spitze ins rechte Bein des Kriegers, oberhalb seines Knies. Der Mann brüllte vor Zorn und Schmerz, fegte Mütterchen mit einem wütenden Handschlag beiseite, holte aus, um sie zu erschlagen – und wurde von Alberichs Goldgeißel kraftvoll am Helm getroffen. Der eiserne Gesichtsschutz zerriss unter dem Anprall der ersten Kugeln wie Papier, die Stacheln der nächsten zerfetzten seine Nase und Augenpartie. Mütterchen stieß noch im Liegen ihr Schwert nach oben und tötete den Nordling mit einem geraden Stich in die Eingeweide.
    Derweil hatte sich Löwenzahn jenem Nordling zugewandt, der unter seinem ersten Angriff zu Boden gestürzt war. Das Duell zwischen beiden war schnell entschieden. Löwenzahns Zweihänder fuhr mit unglaublicher Kraft in die Schulter des Mannes, schnitt schräg hinab bis in die Brust. Der Schlag fällte den Nordling wie eine Handpuppe, aus der ein Puppenspieler seine Finger zieht; stumm und leblos sackte der Krieger zusammen.
    Mütterchen packte einen der beiden verschüchterten Zwerge am Kragen. »Wie viele von diesen Kerlen gibt es hier unten? Los, rede!«
    Der Zwergenarbeiter versuchte vergeblich, Worte zu formen. Der Schreck saß ihm zu tief in den Knochen. Wahrscheinlich hatte er nie zuvor erlebt, dass einer seiner Herren erschlagen wurde, geschweige denn gleich drei auf einmal.
    Alberich drängte Mütterchen zur Seite. »Lass mich das machen.« In der kehligen, hastigen Sprache seines Volkes redete er auf den Zwerg am Boden ein, und es vergingen nur Augenblicke, da erhielt er eine Antwort.
    »Dreißig Nordlinge«, übersetzte Alberich für die anderen, »und etwa sechzig Zwerge.«
    »Neunzig!«, entfuhr es Mütterchen. Sie war kreidebleich geworden. Auch Löwenzahn verzichtete auf aufmunternde Parolen; eine solche Zahl erschreckte selbst ihn.
    Geist trat neben sie. »Es gibt hier unten keine Pflanzen. Nicht einmal eine Spur davon«, sagte sie in einem Tonfall, als sei es nötig, sich dafür zu entschuldigen.
    Aus dem Bohrerstollen, in dem der vierte Nordling verschwunden war, erklangen jetzt Geräusche. Das Schaben von Schritten, Befehle in einer fremden, unverständlichen Sprache. Noch war niemand zu sehen.
    »Wenn wir den Bohrer hineinschieben«, begann Löwenzahn und deutete auf den unversehrten Koloss, aber Mütterchen unterbrach ihn: »Keine Zeit. Außerdem könntest selbst du ihn nicht gegen einen Ansturm der Nordlinge halten.« Ihre Gedanken überschlugen sich. »Alberich, frag den
Zwerg
, welche der beiden Stollen zu jenen Bohrern führen, die als Erste zur Horthalle vorstoßen werden.«
    Alberich tat es und wies bald darauf auf zwei der Stolleneingänge. Jener, in dem die Nordlinge immer näher kamen, war nicht darunter. Trotzdem bestand nicht der geringste Zweifel, dass sich auch in den übrigen feindliche Krieger aufhielten, ganz abgesehen von dutzenden von Zwergen.
    Mütterchen eilte zu einem der Eingänge, über den sie noch nichts wussten. Im Näherkommen erkannte sie, dass daraus ein Wasserlauf strömte, zwei Schritte breit und etwa fingertief. Am Boden des Tunnels verzweigte sich das Wasser in eine Vielzahl schmaler Rinnsale und verschwand in Spalten und Löchern.
    »Was ist hiermit?«, fragte sie und nickte dem Zwergenarbeiter zu.
    Er verstand auch ohne Übersetzung und redete eilig auf Alberich ein.
    »Ein Fehlschlag«, sagte der Horthüter. »Der Stollen ist verlassen. Der Minenbohrer ist vor einigen Tagen auf Wasser gestoßen. Die Nordlinge gaben Befehl, ihn stehen zu lassen, und zogen die Arbeiter in die anderen Stollen ab. Unser Freund hier sagt, etwas Ähnliches sei schon einmal passiert, vor ungefähr zwei Wochen.« Alberich deutete auf den letzten Stollen. Auch dort glitzerte Feuchtigkeit, allerdings sehr viel weniger. »Ich nehme an, sie sind auf den See in der Moosgrotte gestoßen. Deshalb war so viel von dem Wasser abgelaufen.«
    »Der Strudel«, murmelte Geist gedankenverloren.
    Alberich nickte. »Weil die Bohrerspitze noch in der Öffnung steckt, läuft das Wasser nur langsam ab.«
    »Wartet,

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