Des Rajahs Diamant
Sie bitte, mir zu erklären, wie Sie diese Verletzungen erlitten haben, und wie es kommt, daß sich gestohlenes Gut von so ungeheurem Werte in Ihrer Tasche befindet.«
»Da muß ich Ihnen widersprechen,« entgegnete Franz hitzig. »Ich besitze kein gestohlenes Eigentum. Und wenn Sie den Diamanten meinen, so wurde mir dieser vor einer Stunde von Fräulein Vandeleur in der Lepicstraße gegeben.«
»Von Fräulein Vandeleur in der Lepicstraße!« wiederholte der andere. »Sie spannen mich mehr, als Sie glauben. Bitte, fahren Sie fort!«
»Himmel!« rief Franz.
In seiner Erinnerung machte er plötzlich eine Entdeckung. Er hatte gesehen, wie Herr Vandeleur von der Brust seines betäubten Besuchers einen Gegenstand nahm, und dieser Gegenstand war, wie er jetzt überzeugt war, ein ledernes Futteral.
»Es geht Ihnen ein Licht auf?« sagte der Fremde forschend.
»Hören Sie mich an,« versetzte Franz. »Ich weiß nicht, wer Sie sind, aber ich glaube, Sie sind vertrauenswert und hilfreich. Ich habe selbst den Grund unter den Füßen verloren, ich bedarf des Rates und Beistandes, und da Sie mich auffordern, so werde ich Ihnen alles erzählen.«
Und er berichtete mit kurzen Worten seine Erlebnissevon dem Tage an, da ihn die Advokaten von seinem Platz in der Bank zu sich riefen.
»Ihre Geschichte ist in Wahrheit merkwürdig,« sagte der Fremde, als der junge Mann zu Ende war, »und Ihre Lage ist schwierig und gefahrvoll. Mancher würde Ihnen den Rat erteilen, Ihren Vater aufzusuchen und ihm den Diamanten zu überreichen; doch meine Meinung ist anders.«
Hierauf ließ der Fremde den Wirt herbeiholen, der dem überraschten Franz mitteilen mußte, daß er die Ehre habe, mit Seiner Hoheit dem Prinzen Florisel von Böhmen zu sprechen.
»Und nun,« sagte der Prinz, nachdem er den Wirt mit gnädiger Handbewegung entlassen hatte, zu Franz gewendet, »geben Sie mir den Diamanten!«
Ohne ein Wort der Erwiderung überreichte ihm Franz das Etui.
»Sie haben recht getan,« sagte Florisel; »Ihr Gefühl hat Sie auf den rechten Pfad geführt, und Sie werden fernerhin Ursache haben, Ihr heutiges Mißgeschick zu preisen. Es mag einer, Herr Scrymgeour, in tausend Fährlichkeiten geraten, wenn aber sein Herz aufrichtig und sein Geist klar bleibt, so wird er aus allen mit fleckenloser Ehre hervorgehen. Beunruhigen Sie sich nicht länger, ich nehme Ihre Angelegenheit in meine Hand, und mit Gottes Hilfe bin ich stark genug, sie zu gutem Ende zu führen. Folgen Sie mir gefälligst zu meinem Wagen!«
Mit diesen Worten stand der Prinz auf und führte den jungen Mann vom Café ein Stück den Boulevard entlang bis zu einer Stelle, wo ein unscheinbarerJagdwagen und ein paar Diener ohne Livree seiner harrten.
»Dieser Wagen,« sagte er, »steht zu Ihrer Verfügung; holen Sie Ihr Gepäck, worauf Sie meine Diener in ein Landhaus bei Paris bringen sollen, in dem Sie ein einigermaßen behagliches Unterkommen finden werden, bis ich Zeit gehabt habe, Ihre Angelegenheit in Ordnung zu bringen.«
Franz sprach in ein paar abgebrochenen Sätzen seinen Dank aus.
»Es wird Zeit sein, mir zu danken,« sagte der Prinz, »wenn Sie die Anerkennung Ihres Vaters und Fräulein Vandeleurs Hand gewonnen haben.«
Damit wandte sich der Prinz um und schlenderte behaglich dem Montmartre zu. Er rief die erste vorbeifahrende Droschke an, nannte eine Wohnung, und eine Stunde später klopfte er an Herrn Vandeleurs Gartentor.
Es wurde mit großer Vorsicht von dem Diktator persönlich geöffnet.
»Wer sind Sie?« fragte er.
»Sie müssen den späten Besuch entschuldigen, Herr Vandeleur,« erwiderte der Prinz.
»Eure Hoheit sind stets willkommen,« antwortete der Diktator, zurücktretend.
Der Prinz trat durch die geöffnete Türe, schritt, ohne auf seinen Wirt zu warten, vorwärts ins Haus und öffnete die Tür des Empfangszimmers. Dort saßen zwei Personen; die eine war Fräulein Vandeleur, mit verweinten Augen und von Zeit zu Zeit aufschluchzend, und in der andern erkannte der Prinzden jungen Wann, der ihn vor einiger Zeit im Klubhause wegen seiner Lektüre um Rat gefragt hatte.
»Guten Abend, Fräulein Vandeleur,« sagte Florisel. »Sie sehen müde aus. Herr Rolles, glaube ich? Ich hoffe, Sie haben Gaboriaus Werke mit Nutzen gelesen.«
Doch der junge Geistliche befand sich in einer zu üblen Gemütsstimmung, um Zu antworten; er verbeugte sich steif und fuhr fort an seiner Lippe zu nagen.
»Welchem guten Winde,« sagte Herr Vandeleur, der seinem Gaste gefolgt war,
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