Des Rajahs Diamant
sie. »Sie haben meinen Vater gehört. Was kann ich anderes tun als gehorchen?«
»Sagen Sie mir wenigstens, daß dies nicht Ihrem Willen entspricht,« gab Franz zurück; »sagen Sie mir,daß es nicht Ihr Wunsch ist, mich nicht wiederzusehen.«
»Gewiß,« sagte sie, »das ist mein Wunsch nicht. Sie scheinen mir ebenso kühn wie ehrenhaft zu sein.«
»Dann,« sagte Franz, »geben Sie mir ein Andenken!«
Mit der Hand auf dem Schlüssel, den sie nur noch umzudrehen hatte, um das Tor völlig zu öffnen, stand sie einen Augenblick unentschlossen. Dann sagte sie:
»Wollen Sie mir auch versprechen, ganz genau, Punkt für Punkt nach meiner Weisung zu tun?«
»Können Sie fragen?« entgegnete Franz. »Auf Ihr bloßes Wort würde ich es mit Freuden tun.«
»So sei es drum,« sagte sie. »Sie wissen nicht, worum Sie bitten, aber sei es drum. Was Sie auch hören,« fuhr sie fort, »was auch geschieht, kehren Sie nicht in dieses Haus zurück! Eilen Sie fort, bis Sie die beleuchteten und belebten Teile der Stadt erreichen, und auch da seien Sie auf Ihrer Hut! Sie schweben in größerer Gefahr, als Sie meinen. Versprechen Sie mir, daß Sie mein Andenken nicht einmal ansehen wollen, bis Sie sich in Sicherheit befinden.«
»Ich verspreche es,« versetzte Franz.
Sie legte etwas, das lose in ein Taschentuch gewickelt war, in die Hand des jungen Mannes; zugleich schob sie ihn mit mehr Kraft, als er ihr zugetraut hätte, auf die Straße und rief:
»Laufen Sie, laufen Sie!«
Er hörte das Tor hinter sich schließen und die Riegel vorschieben.
»Meiner Treu,« sprach er zu sich, »da ich's mal versprochen habe.«
Und dabei lief er eine Straße, die in die Ravignanstraße führt, hinunter.
Noch keine fünfzig Schritt war er von dem Hause mit den grünen Jalousien entfernt, als auf einmal ein ganz teuflisches Wutgeschrei die Stille der Nacht durchdrang. Unwillkürlich machte er halt, ein zweiter Fußgänger folgte seinem Beispiel, in den nächsten Häusern eilten die Bewohner an die Fenster; eine Feuersbrunst hätte in dieser einsamen Stadtgegend keine größere Aufregung verursachen können. Und doch schien das Geschrei nur von einem einzigen Mann auszugehen, der vor Schmerz und Wut brüllte wie eine Löwin um ihre Jungen, und Franz hörte zu seiner größten Bestürzung und Beunruhigung seinen eigenen Namen, untermischt mit englischen Verwünschungen.
Seine erste Regung war umzukehren, dann besann er sich aber auf Fräulein Vandeleurs Rat und machte sich eben mit doppelter Eile auf den Weg, als er den Diktator, ohne Kopfbedeckung, mit wirrem Haar und laut schreiend, wie eine abgefeuerte Kanonenkugel die Straße nach der entgegengesetzten Richtung hinunterlaufen sah.
Da bin ich knapp seinem Rachen entronnen, dachte Franz bei sich. »Was er von mir will und was ihn so toll gemacht hat, kann ich mir nicht denken, aber im Augenblick ist nicht gut Kirschen essen mit ihm, und ich kann nichts Besseres tun, als Fräulein Vandeleurs Rate folgen.«
Da er zunächst der Gefahr entronnen zu sein glaubte, so trat er, da er nicht nur ohne Hut war, sondern auch seine Kleider auf der Niederfahrt durch den Kastanienbaum arg gelitten hatten, in den ersten Laden, wo er eine billige Kopfbedeckung kaufte und wenigstens den gröbsten Schaden seiner Toilette ausbessern ließ. Das immer noch in das Taschentuch gewickelte Andenken steckte er dabei in seine Hosentasche.
Aber kaum hatte er wieder ein paar Schritte aus dem Laden heraus getan, so fühlte er sich plötzlich gepackt, eine Hand fuhr ihm an die Kehle, ein wütendes Gesicht stand ihm dicht vor Augen, und ein aufgerissener Mund stieß ihm schauerliche Flüche ins Ohr. Es war der Diktator, der, als er auf seinem Wege keine Spur von dem gesuchten Wilde fand, auf einem andern Wege zu seiner Wohnung zurückkehrte. Franz war kein Schwächling, aber seinem Gegner weder an Kraft noch an Gewandtheit gewachsen, und so ergab er sich nach einigem fruchtlosen Sträuben auf Gnade und Ungnade seinem Widersacher.
»Was wollen Sie von mir?« sagte er.
»Davon wollen wir daheim reden,« erwiderte der Diktator voll Hohn.
Und er riß den jungen Mann mit sich fort, dem Hause mit den grünen Jalousien zu.
Doch Franz, der anscheinend jeden Widerstand aufgegeben hatte, wartete nur auf eine günstige Gelegenheit, durch einen kecken Fluchtversuch seine Freiheit wiederzugewinnen. Mit jähem Rucke sich losreißend,ließ er seinen Rockkragen in Herrn Vandeleurs Händen und lief zum zweitenmal, was er nur konnte,
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