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Des Todes Dunkler Bruder

Des Todes Dunkler Bruder

Titel: Des Todes Dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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erhöhen wollte, jemanden bei etwas Illegalem zu ertappen.
    Deborah sah das anders. Vielleicht, weil sie bei der Sitte war. Eine gut aussehende junge Frau von der Sitte am Tamiami Trail endet gewöhnlich als Köder am Haken.
    Steht fast nackt draußen, um Männer zu fassen, die für Sex bezahlen wollen. Deborah hasste es. Sie konnte sich über Prostitution nicht aufregen, es sei denn als soziales Anliegen. Sie glaubte nicht, dass Schwänze zu fangen etwas mit Verbrechensbekämpfung zu tun hatte. Und außerdem hasste sie alles, was ihre Weiblichkeit und ihre üppige Figur überbetonte. Aber das wusste nur ich.
    Sie wollte ein Cop sein, es war nicht ihre Schuld, dass sie eher wie das Playmate des Monats aussah.
    Schon als ich auf den Parkplatz abbog, den sich das Motel Cacique und sein Nachbar, Titos Café Cubano, teilen, konnte ich erkennen, dass sie augenblicklich eine verdammte Menge Figur bot. Sie trug ein neonrosa Schlauchtop, Satinshorts, schwarze Netzstrümpfe und Pfennigabsätze. Direkt aus dem Kostümfundus für Hollywoodnutten in 3-D.
    Vor ein paar Jahren bekam irgendjemand im Büro der Sitte den Tipp, dass die Luden auf den Straßen sich über sie lustig machten. Es schien, dass die Jungs von der Sitte die Aufmachung aussuchten, in der ihre weiblichen Kollegen auf Beutefang gingen. Ihre Auswahl der Kleidungsstücke verriet erschreckend viel über ihre persönlichen Vorlieben im Bereich Perversionen, aber sie sahen nicht gerade nach Nuttenklamotten aus. Daher wusste jeder auf der Straße Bescheid, sobald ein neues Mädchen Marke und Waffe in ihrem Handtäschchen spazieren trug.
    Als Ergebnis des Tipps bestanden die Jungs von der Sitte darauf, dass die Mädchen, die undercover arbeiteten, ihre Ausstattung für den Job selbst aussuchten. Schließlich wissen Frauen sowieso besser, was ihnen steht, oder? Vielleicht tun das die meisten. Deborah nicht. Sie fühlte sich nur in Uniform richtig wohl. Sie hätten sehen sollen, was sie zu ihrem Abschlussball tragen wollte. Und jetzt – ich hatte noch nie eine schöne Frau in einer so offenherzigen Kostümierung gesehen, die sexuell weniger attraktiv gewirkt hätte als Deborah.
    Aber sie hielt durch. Sie drängte die Menge zurück, ihre Marke hatte sie an das Schlauchtop geheftet. Sie war deutlicher zu sehen als die halbe Meile gelbes Absperrband, das bereits aufgespannt worden war, deutlicher auch als die drei Streifenwagen, die mit flackerndem Blaulicht dort parkten. Das rosa Schlauchtop leuchtete noch heller.
    Sie stand auf der anderen Seite des Parkplatzes und hielt den Technikern der Spurensicherung, die anscheinend den Müllcontainer des Cafés durchwühlten, die raunende Menge vom Leib. Ich war froh, dass ich zu einer anderen Abteilung gehörte. Der Gestank wehte quer über den Parkplatz in mein Wagenfenster – der stechende Geruch nach südamerikanischem Kaffeesatz gemischt mit dem nach vergorenen Früchten und ranzigem Schweinefleisch.
    Der an der Einfahrt zum Parkplatz postierte Polizist war ein Typ, den ich kannte. Er winkte mich hinein, und ich fand eine Lücke.
    »Deb«, grüßte ich, während ich hinüberspazierte. »Nette Aufmachung. Bringt deine Figur wirklich vorteilhaft zur Geltung.«
    »Verpiss dich«, erwiderte sie und errötete. Bei einem ausgewachsenen Cop ein seltener Anblick.
    »Sie haben noch eine Nutte gefunden«, sagte sie. »Zumindest glauben sie, dass es eine Nutte ist. Schwer zu sagen, wenn man die Reste sieht.«
    »Das ist die Dritte in den letzten fünf Monaten«, stellte ich fest.
    »Die Fünfte«, korrigierte sie mich. »Oben in Broward gab es noch zwei.« Sie schüttelte den Kopf. »Offiziell behaupten diese Arschlöcher immer noch, es gäbe keine Verbindung.«
    »Sie hätten sonst einen Haufen Papierkram zu erledigen«, bemerkte ich zuvorkommend.
    Deb zeigte mir die Zähne. »Wie wäre es mit ein wenig verdammter grundlegender Ermittlungsarbeit?«, schnarrte sie. »Ein Idiot kann erkennen, dass diese Morde etwas miteinander zu tun haben.« Sie schauderte ein bisschen.
    Ich starrte sie erstaunt an.
    Sie war ein Cop, Tochter eines Cops. Solche Dinge ließen sie kalt. Als sie noch eine Anfängerin gewesen war und die älteren Polizisten ihr Streiche gespielt hatten – sie zeigten ihr die zerstückelten Leichen, die in Miami jeden Tag auftauchen, damit sie ihr Mittagessen erbrach –, hatte sie nicht mit der Wimper gezuckt. Sie hatte alles gesehen. War da gewesen, hatte es erlebt und das T-Shirt gekauft.
    Aber jetzt schauderte

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