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Deutschland macht dicht (German Edition)

Deutschland macht dicht (German Edition)

Titel: Deutschland macht dicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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bißchen böse, eigentlich nicht mal richtig frech.
    Ihr war nur langweilig wie noch nie in ihrem ganzen Leben. So langweilig würde ihr, da sie sich, ohne es zu ahnen, bereits auf dem Weg in ein ungeheures Abenteuer befand, nie wieder sein.Vielleicht hätte sie die trübe Laune, in der sie schwamm, sogar genießen können, wenn sie gewußt hätte, was ihr, einmal zurück in Deutschland, bald passieren mußte. Da sie davon jedoch keinen Schimmer hatte, dachte sie an anderes – zunächst an Durst und Hunger, die sie aber beide nicht hinreichend verspürte, um sich damit ausführlicher zu befassen, dann aber daran, daß das mit der Waschmaschine eine unverwechselbare Hendrik-Idee war. Etwas undeutlich, weil ein langes schwarzes Haarsträhnchen, an dem sie eben noch rumgelutscht hatte, im rechten Mundwinkel klebte, sagte sie: »Die Idee ist so Hendrik wie nur was.«
    Prächtig: Nach drei Stunden CD-Hörerei – immer wieder ihre vier Lieblingsplatten: The Verve mit »Bittersweet Symphony«, Vanessa Carlton, Kim Richey aus der Sammlung ihrer verstorbenen Mutter und die erste Dido– nach zweimaligem Komplettdurchlesen von »Sugar« sowie »Bravo Girl« und zunehmend unzufriedenerem Blättern im amerikanischen Heftchen »Teen People« aus dem Village Market dachte sie jetzt also doch wieder an Hendrik. Zum Glück gehörte das Wort »Sehnsucht« nicht zu Rosalies aktivem Wortschatz. Diese Sachen werden schlimmer, wenn man weiß, wie sie heißen. »Doof! Riesendoof! Weltüberdoof!«

    Den Ausdruck hatte sie ebenfalls von Hendrik – so ging seine Lieblingssteigerung: Ein gutes Musikstück zum Beispiel war ein Hit, ein besseres ein Überhit und das beste ein Weltüberhit.
    Adressat der Beschwerde betreffs Weltüberdoofheit von Rosalies gegenwärtiger Situation war genaugenommen niemand. Stur starrte sie beim Maulen nach oben auf das Lichtviereck in der Decke.
    Rosalie griff nach dem Bündel Dollarscheine auf dem Nachttisch – »Trinkgeld, wenn du dir was aufs Zimmer kommen läßt« (Vater Vollfenster).
    Sie faltete das Bündel auseinander, nahm einen Schein in die Hand und untersuchte Einzelheiten. Da schaute streng Herr Washington, der aufgedunsen aussah, wie Vaters dummer Bekannter Hänsel, von dem Rosalie wußte, daß er soff. Sie bewunderte die Pyramide mit dem Auge drin, den Adler und die kleinen Inschriften:
    THIS NOTE IS LEGAL TENDER
FOR ALL DEBTS, PUBLIC AND PRIVATE
Treasurer of the United States.
Series 2008
Secretary of the Treasury.
    Die meisten der gelbgrünen Noten waren brandneu.
    Eine indes schimmelte in der Mitte angegilbt. Ihre leicht gerundeten Ecken sahen stumpf aus. Rosalie nahm den Schein in die Hand, befühlte ihn zwischen Daumen und Zeigefingern und schnupperte. Der Duft wehte sie überraschend organisch an, wie etwas vormals Lebendiges, das jetzt tot war, ein erschlafftes Salatblatt vielleicht. Rosalie schob die Muffelnote zwischen die frischen Geschwister, faltete das Bündel zusammen und schob es in die linke Jeanstasche. Von wegen Trinkgeld! Wenn überhaupt was, dann haue ich damit nachher ab und geh irgendwo flippern oder wie.Das glaubte sie zwar selbst nicht, weil sie wußte, was so ein Ausreißen für Konsequenzen haben mußte. Aber es fühlte sich gut an, wenigstens kurz vom Ausbruch zu träumen.
    Zwei Minuten schneckten todmüde vorüber. Dann schwang Rosalie sich vom Bett und trottete, plump wie ein Yeti, vornübergebeugt von der Last krepierender Zeit, ins Wohnzimmer. Dort warf sie sich auf die Couch und nahm die Fernbedienung vom kniehohen Glastisch. Ewigkeiten früher – genau vor einer Stunde – hatte sie sich schon einmal vor den Apparat gesetzt, die einundsechzig Kanäle nach zweimaligem Komplettdurchzappen aber rasch gründlich satt gehabt. Ergebnis jener enttäuschenden Erfahrung war der Vorsatz gewesen, sich lieber auf jede denkbare andere Art zu beschäftigen als mit diesem Dreck. Da der Vorsatz nicht einzuhalten war, knipste sie den Kasten an und quengelte dabei: »Hab’ ich mir übrigens aber auch spannender vorgestellt, das amerikanische Fernsehen.«
    Die Scheibe zeigte zwei Politiker, die sich übers Defizit, das Gesundheitssystem und Subventionen für ausgetrocknete Farmer stritten.
    Zapp.
    Ein Anwalt erklärte der Menschheit eine Versicherung, die man kaufen konnte. Das fand er ganz erstaunlich.
    Zapp.
    Trickfilmtiere spielten sich in kranken Farben auf, als hinge alles davon ab.
    Zepp.
    Schießerei am Fluß: Glänzende Wildweststiefel fielen schreiend vom Pferd oder

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