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Corbins 01 - Wer Das Paradies Nur Finden Will ...

Corbins 01 - Wer Das Paradies Nur Finden Will ...

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Eins
    Staat Washington — 15. Dezember 1886
    Die Lichter von Port Hastings
leuchteten und funkelten im dahintreibenden Schnee, als das Dampfschiff
anlegte. Vom dunklen Pier drang Leierkastenmusik herüber, und Banner O'Brien
beugte sich über die vereiste Reling, um zu sehen, woher die Melodie kam.
    Mr. Temple Royce, der neben ihr
stand, zeigte auf das Ufer und murmelte: »Das ist es — Klein Sodom und
Gomorrha.«
    Banner wandte sich verblüfft zu ihm
um. Sodom und Gomorrha? Warum sagte er das erst jetzt, wo es zu spät zur Umkehr
war? Bisher hatte er die Stadt nur in den herrlichsten Farben geschildert.
    Bevor Banner etwas darauf erwidern
konnte, nahm Royce ihren Arm und führte sie auf die Rampe zu. »Wir brauchen Sie
hier«, sagte er schlicht, als sei damit alles erklärt.
    Die Musik wurde lauter, und Temple
Royce drängte Banner hastig über den Kai zu einer wartenden Kutsche.
    Während das Gefährt eine steile
Anhöhe hinaufzog und in eine Straße einbog, die von verwitterten Tavernen und
Freudenhäusern gesäumt war, schaute Banner neugierig aus dem unverhangenen
Fenster. Angetrunkene Seeleute schwankten von einem Etablissement zum anderen,
verfolgt von den heiseren Rufen der Prostituierten, die über die Straße
schlenderten.
    »Water Street«, erklärte Royce in
gelangweiltem Ton. »Aber beurteilen Sie bitte nicht die ganze Stadt nach diesem
Ort.«
    Banner ließ sich in den gepolsterten
Ledersitz zurücksinken und schob die Hände unter ihren warmen blauen
Wollumhang. Fast wünschte sie nun, in Portland geblieben zu sein, wo sie ein
sauberes, gemütliches Zimmer besaß und eine Praxis, die genug einbrachte, um
ihre bescheidenen Ansprüche zu befriedigen.
    Dann richtete sie sich auf und
straffte die Schultern. In Portland war Sean — sie hatte ihn mit eigenen Augen
dort gesehen — und damit war alles entschieden.
    »Sie sind bezaubernd«, sagte Mr.
Royce spontan. Er war selbst ein gutaussehender Mann von mittlerer Größe und
Gewicht. Haar- und Augenfarbe hatten denselben schimmernden Braunton. Banner
schätzte ihn um die Dreißig. Seine elegante Kleidung bewies, daß er wohlhabend
sein mußte, wenn nicht sogar reich. »Was hat Sie dazu veranlasst, Ärztin zu
werden?«
    Banner war zu müde und entnervt, um
auf Einzelheiten einzugehen. Sie war hier, um die Praxis eines anderen Arztes
zu übernehmen, der sich von einer Verletzung erholte, und nicht, um vor einem
Mann, den sie kaum kannte, ihre Seele bloßzulegen.
    »Sie haben meine Qualifikationen
gesehen, Mr. Royce«, entgegnete sie kühl. »Ich habe Ihnen Empfehlungsschreiben
und mein Diplom gezeigt. Wie ich daran gekommen bin, dürfte meiner Ansicht nach
keine Bedeutung für Sie haben.«
    Royce lächelte, und seine Stimme
klang rauh und doch weich, als er weitersprach.
    »Dieses zimtfarbene Haar und diese
schönen grünen Augen — wieso hat Sie bisher noch niemand geheiratet, Miss
O'Brien?«
    »Doktor O'Brien«, berichtigte Banner. Ein leiser, aber
beständiger Schmerz pochte hinter ihren Schläfen. Ein Mann hatte sie
geheiratet und es bitter bereut. Aber das ging Temple Royce nichts an.
    Er nickte zustimmend. »Doktor
O'Brien, meinetwegen. Wie alt sind Sie?«
    Banner seufzte. »Sechsundzwanzig.
Und Sie?«
    Royce lachte, obwohl eine Spur von
Ärger in seinem Blick erschien. »Sie sind recht dreist. Dr. O'Brien«, bemerkte
er. »Und um Ihre Frage zu beantworten — ich bin zweiunddreißig.«
    »Wie ist es zu Dr. Hendersons
Verletzung gekommen?« fragte Banner. Dr. Henderson war der Arzt, dessen Praxis
sie für eine Zeitlang übernehmen sollte.
    »Es geschah während einer
Konsultation mit Ihrem Konkurrenten, Dr. O'Brien. Der arme Stewart Henderson hat
es gewagt, eine gegenteilige Ansicht zu äußern, worauf Dr. Corbin recht
aggressiv reagierte.«
    »Sie wollen doch nicht etwa sagen ...«
    »0 doch! Adam Corbin ist ein
gewalttätiger, verbohrter Mensch, und jene, die anderer Meinung sind als er,
gehen ein beachtliches Risiko ein.«
    Es schauderte Banner. Sie war
entsetzt, daß ein Arzt sich so verhalten sollte, doch sie sagte nichts.
    »Ich bin überzeugt, daß Adam Corbin
Sie aufsuchen wird, sobald er erfährt, daß Sie Stewarts Praxis übernommen
haben. Falls Sie lieber nicht allein sein möchten ...«
    Banner spürte, wie ihr das Blut in
die Wangen stieg. Sie fürchtete sich vor keinem Mann, Sean Malloy ausgenommen,
und sie hatte nicht die Absicht, sich wie ein verschrecktes Küken unter Mr.
Royces Fittiche zu begeben. »Ich bleibe in Dr. Hendersons

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