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DGB 06 - Gefallene Engel

DGB 06 - Gefallene Engel

Titel: DGB 06 - Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mitchel Scanlon
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Messer
so, dass es gut ausbalanciert auf seiner Handfläche lag. »Leg deine Hand auf
das Messer und schwöre, die blutigste Pflicht zu erfüllen. Diese Klinge kam
bereits mit deinem Blut in Berührung, als sie deine Handfläche ein klein wenig einschnitt.
Lass das Messer den Wächter über deine Schwüre sein. Wenn du durch eine
zukünftige Tat den Beweis erbringst, dass deine hier gesprochenen Worte eine
Lüge waren, dann soll diese gleiche Klinge zu dir zurückkehren und deine Kehle
durchtrennen. Schwöre es.«
    »Ich schwöre«, sagte Zahariel
und legte seine Hand auf das Messer. »Wenn ich heute eine Lüge gesprochen habe,
dann soll diese Klinge zu mir zurückkehren und meine Kehle durchtrennen.«
    »Dann ist es vollbracht.« Lord
Cypher nickte zufrieden. »Dein altes Leben ist vorbei. Du bist nicht mehr der
Junge namens Zahariel El'Zurias, Sohn von Zurias El'Kaleal. Von heute an wird
nicht mehr über die Familienlinie gesprochen, auch nicht über die Vorfahren
deines Vaters. Du bist weder ein Adliger noch ein Bürgerlicher, denn diese
Dinge liegen hinter dir. Von nun an bist du ein Ritter des Ordens. Du wurdest
wiedergeboren und beginnst ein neues Leben. Verstehst du das?«
    »Ja, ich verstehe«, entgegnete
er mit stolzgeschwellter Brust.
    »Dann erheb dich«, forderte
Lion El'Jonson ihn auf. »Du musst jetzt nicht länger vor uns knien. Du bist nun
unter Brüdern. Wir alle sind deine Brüder. Erheb dich, Zahariel vom Orden.«
     
     
     
     
     
     
     
     
    Zwei
     
     
     
    DER SCHNITT IN SEINER
HANDFLÄCHE würde keine Narbe hinterlassen, sondern mit der Zeit völlig
verheilen. In ein paar Monaten sollte nichts mehr daran erinnern, dass sich
dort je eine Verletzung befunden hatte. Für Zahariel dagegen war es
sonderbarerweise so, als existiere die Wunde weiterhin. Sie schmerzte nicht,
und sie schränkte ihn auch nicht ein, und wenn er den Knauf seiner Pistole
umfasste, war sein Griff ebenso fest und kräftig wie zuvor. Dennoch nahm er die
Präsenz dieser Wunde auch noch wahr, als sie längst verheilt war.
    Er hatte davon gehört, dass
manche Menschen Phantom-schmerzen spürten, nachdem sie eine Gliedmaße verloren
hatten — eine eigenartige Fehlfunktion des Nervensystems, für das die
Apothekarii keine Erklärung liefern konnten. So ähnlich erging es auch
Zahariel. Da war hin und wieder dieses vage, unbestimmbare Gefühl in seiner
Handfläche, als ob ein Teil seines Verstands ihn an seinen Eid erinnern wollte.
    Der Schmerz war immer da, wie
eine der vielen Linien, die seine Handfläche durchzogen, zwar unsichtbar, aber
allgegenwärtig. Es war, als wäre der Schnitt in seine Seele eingraviert worden.
Wenn er ihm einen Namen hätte geben wollen, wäre seine Entscheidung vermutlich
auf »Gewissen« gefallen.
    Ganz gleich, aus welchem Grund
sich der Phantomschmerz in seiner Hand auch regen mochte, es sollte ihn für den
Rest seines Lebens begleiten.
    Mit der Zeit sollte er sich
nahezu daran gewöhnen.
     
    Zahariel und Nemiel waren
gemeinsam aufgewachsen.
    Sie kamen im Abstand von nur
wenigen Wochen zur Welt und waren Blutsverwandte. Zwar waren sie entfernt
verwandte Cousins, die zwei verschiedenen Linien einer weitverzweigten
Adelsfamilie angehörten, dennoch sahen sie sich so ähnlich, dass man sie für Brüder
hätte halten können. Beide besaßen sie das charakteristisch schmale Gesicht und
das adlerähnliche Profil ihrer Vorfahren, doch sie fühlten sich viel enger verbunden.
    Gemäß den klösterlichen
Traditionen des Ordens betrachteten sich die Ritter untereinander als Brüder,
doch für Zahariel und Nemiel besaß das eine ganz andere Bedeutung, die weit
über solche Plattitüden hinausging. Sie fühlten sich wie Brüder, lange bevor
sie sich als Anwärter dem Orden angeschlossen hatten. In den Jahren danach
waren die engen Bande zwischen ihnen unzählige Male auf die Probe gestellt
worden, und immer wieder hatten sie sich bewähren können. In tausenderlei
Hinsicht konnte sich der eine auf den anderen verlassen, selbst dann, als ihre
freundschaftliche Rivalität neue Höhen erreichte.
    Es war ganz natürlich, dass die
beiden miteinander wetteiferten.
    Bereits in frühester Kindheit
hatte einer versucht, den anderen zu überbieten. Bei allen Wettkämpfen war
jeder darauf bedacht gewesen, am Ende als der Sieger dazustehen. Jeder wollte
schneller als der andere laufen, der bessere Reiter oder erfahrenere
Schwertkämpfer sein, der treffsicherste Schütze, der schnellste Schwimmer. In welcher
Disziplin

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