DGB 11 - Blut Der Abtrünnigen
seinem Angriff entgegen, ihr Schwert hielt sie immer noch umgekehrt in der
Hand. Flink drehte sie den Arm um und trieb die Klinge in den Hals des Mannes,
der sich durch seine Vorwärtsbewegung selbst enthauptete. Blut spritzte aus dem
kopflosen Rumpf und regnete auf den gräulichen Schnee, ein paar Tropfen
landeten auf Kendels goldenem Kürass, aber die Fontäne versiegte schnell
wieder.
Sie machte einen Schritt über
den Leichnam hinweg und ging weiter, während von der Schwertklinge ein wenig Dampf
aufstieg.
~ Was hat er damit gemeint? ~ Schwester Thessaly schloss zu
ihr auf und signalisierte sorgfältig. ~ Er sprach davon, etwas zu hören. Vielleicht
besteht ein Zusammenhang zum Inhalt der letzten Kommunikation von diesem
Schiff. ~
Kendel legte zwei Fingerspitzen
an ihr Kinn, und Norton nickte bestätigend.
»Sprich es aus«, murmelte
Schwester Leilani. »Aber was?«
Je weiter sie vordrangen, umso
intensiver wurde das Gefühl, dass die Atmosphäre dichter und dichter wurde, begleitet
von einem öligen, metallischen Beigeschmack, den Leilani nicht aus dem Mund
bekam, auch wenn sie noch so oft etwas Wasser aus dem Spender in ihrem an ein
Fallgitter erinnernden Ringkragen nippte.
Sie wusste, die Ritterin des
Vergessens und die Sororita nahmen das auch wahr. Beide bewegten sich
vorsichtig und ernst durch die äußeren Bereiche des Verliesdecks, wo sich die Käfige
für die weniger gefährlichen Insassen befanden. Im Vorbeigehen warf die Novizin
einen Blick mal auf diese, mal auf jene Zelle. In jeder befanden sich
eigenartige feuchte Klumpen, bei denen es sich einmal um Körper gehandelt haben
musste. Sie wirkten wie Wachs, an das man eine Flamme gehalten hatte. Die Luft
war unnatürlich ruhig und so drückend, dass sie die Eigenschaften einer Membran
annahm. Leilani konnte die geisterhafte Berührung auf ihrem Gesicht spüren, so
als würde sie mit den hauchdünnen Fäden eines Spinnennetzes in Kontakt kommen.
Thessaly Nortor, die wie schon
zuvor die Führung übernommen hatte, blieb abrupt stehen, und sofort stoppte auch
die Novizin, die mit dem nächsten wahnsinnigen Psioniker oder dem nächsten
unnatürlichen Phänomen rechnete. Doch dann drehte sich die Sororita zu den
beiden Frauen um und beschrieb das Zeichen für Schwester.
Und da war sie: Mitten in der
Kammer saß sie im Schneidersitz auf den dunklen eisernen Deckplatten, den Kopf in
tiefer Konzentration gebeugt, das Schwert gezogen, dessen schmales Heft sie mit
beiden Händen umschlossen hielt. Leilani war sich der auffallenden Ruhe
bewusst, die der Körper der Frau auszustrahlen schien und die das Fehlen
jeglicher Emotion und aller Energie vermittelte. Ein Schweigen, das war das
einzige Wort, das ihr dazu einfiel.
Die Frau bewegte den Mund, doch
auch wenn kein Laut über ihre Lippen kam, musste die Novizin nur ein paar Worte
lesen, um zu wissen, um welche Litanei es sich dabei handelte. Ohne zu merken,
was sie da tat, sprach Leilani diese Worte laut mit: »Wir sind Sucher, und wir
werden unsere Beute finden. Wir sind Krieger, wehe jenen, die sich uns
widersetzen ...« Dann verstummte sie, ihre Wangen liefen rot an.
Nachdenklich legte Schwester
Amendera die Stirn in Falten, während Leilani wieder die andere Frau ansah. Ihr
auf dem Kopf zusammengeknotetes rostrotes Haar hing zerzaust und schweißnass
über ihren ansonsten kahlen Schädel. Eine leuchtend rosafarbene Linie verlief
auf der linken Gesichtshälfte vom Wangenknochen bis hinunter zum Hals, hin zu
den Blitzsymbolen, die in ihre Schulterplatten eingraviert waren. Sie besaß den
gleichen Dienstgrad wie Kendel, und genau in diesem Moment erkannte Leilani
diese Frau.
Abrupt nach Luft schnappend,
schlug Schwester Emrilia Herkaaze vom Kader der White Talons die Augen auf und schaute
sie an, da ihre Gefechtsmeditation damit unterbrochen war. Das linke, von
Narben geränderte Auge der Frau war eine komplexe Verbesserung aus blauem Glas
und goldenem Räderwerk. Mit kühlem, berechnendem Blick sah sie Leilani von oben
bis unten an.
Herkaaze ignorierte die von
Nortor hingehaltene offene Hand und stand auf, wobei sie alle Steifheit
abschüttelte. Die Ritterin des Vergessens richtete ihre Aufmerksamkeit auf
Kendel. Auch wenn ihre untere Gesichtshälfte hinter einer Halbmaske verborgen
lag, konnte die Novizin ihr anmerken, dass sie den Mund zu einem spöttischen
Lächeln verzog.
~ Ich wusste, jemand würde
herkommen ~ , signalisierte sie.
~ Aber ich hätte nicht damit
gerechnet, dass du diejenige
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