Diabolos (German Edition)
weniger bekleidete Filmblondine kreischend rückwärts in den sicheren Tod taumelte. Doch hierbei war nichts Komisches. De Quincey blinzelte einige Male und näherte sein Gesicht der feuchten Oberfläche. Meloso. Das war alles. Er fragte Lola danach und sie sagte ihm, es bedeute ›lieblich‹. Sie lächelte schelmisch und fragte keck nach einer verirrten Wildkatze bei ihm dort oben.
In der kommenden Woche entdeckte er ähnliche Worte, stets auf dem Spiegel. Immer liebevolle Botschaften, die einen sauren Beigeschmack in seinem Mund zurückließen.
Am heutigen Abend sieht er das Wort cuco , gelegt aus toten Blüten auf seinem Schreibtisch. Niedlich. Eiskalt läuft es ihm den Rücken hinunter. Dann ein harter Schlag direkt über seinem Kopf. Der Dachboden ist wieder erwacht und das scharfe Kratzen über den Boden beginnt erneut. Doch diesmal kann De Quincey es einfach nicht ignorieren. Ihm wird kalt und er will beim besten Willen nicht nach oben gehen und nachsehen.
Dann ist es still. Er lauscht und hört Lolas Fernsehmoderator über das Aus einer wohl recht netten Fernsehserie lamentieren. Er steht auf und nähert sich der Treppe zum Dachboden. Er legt den Kopf in den Nacken. Es ist völlig dunkel dort oben, als wäre Tinte ausgelaufen und würde ölige Figuren zeichnen. Dann setzt das Schaben wieder ein. Langsamer diesmal und beinahe zögerlich. Es zieht sich gemächlich von einer Wand bis zur anderen, endet mit einem scharfen Ruck. De Quincey steigt die Treppe nach oben.
Drei. Vier. Fünf. Sechs.
Nicht besonders besonnen, nur zügig und zielstrebig. Bald umhüllt ihn Finsternis und das ist keine Phrase. Sie umschlingt ihn, so dass er kaum atmen kann.
Sieben. Acht.
Er nimmt eine Stufe nach der anderen, kann einfach nicht aufhören, immer weiter zu gehen.
Neun.
Und dann fällt ihm auf, dass sich dort etwas bewegt. In der Stille, in der Schwärze.
Eine Gestalt löst sich aus dem tintenfarben Nichts, ein Dämon. Er hört das Wort cuco. Tanto cuco. Sehr niedlich … findet ihn das, was dort oben auf ihn wartet. Dann ein Schmerz in der Brust, als er spürt, wie sich sein Brustkorb öffnet. Ein Streicheln über sein Haar, seine Haut. Blando. Ja, butterweiche Haut hatte er schon immer. Der Schmerz ist angenehm, schmeichlerisch. Etwas drückt an seinem Oberkörper wie eine große Zange, die den Brustraum geöffnet hält.
Zehn.
Lolas Sendung ist zu Ende und sie kommt mit tränenfeuchten Augen hinauf, um De Quincey zum Abendessen zu holen. Etwas überrascht stellt sie fest, dass er nicht an seiner Arbeit sitzt. Dann hört sie die Schritte. Gleichmäßig, beinahe militärisch. Sie kommen von der Dachbodenstiege. Lola geht nachsehen, ruft Cedrics Namen, doch erkennen kann sie nichts.
Für De Quincey haben Zeit und Raum an Bedeutung verloren. Nichts ist mehr wichtig.
Lola lauscht angestrengt in die Dunkelheit. Die Schritte auf der Holztreppe zum Dachboden hallen weiter an ihr Ohr.
Elf.
Zwölf.
Dreizehn.
Vierzehn.
Fünfzehn.
Sechzehn.
Siebzehn.
Achzehn.
Neunzehn.
Zwanzig.
Einundzwanzig.
Zweiundzwanzig.
Dreiundzwanzig.
Vierundzwanzig.
Fünfundzwanzig.
Sechsundzwanzig.
Siebenundzwanzig.
Achtundzwanzig.
…
Autoren & Illustratoren
(in alphabetischer Namensfolge)
Alt, Dirk
Geboren 1982. Seit 2010 literarische Veröffentlichungen (Kurzprosa) in Anthologien und Literaturzeitschriften: neben Gegenwartstexten vor allem phantastische Erzählungen nach Volkssagen, Mythen und mittelalterlichen Überlieferungen.
Backus, Thomas
… wurde 1969 in Biedenkopf geboren. Er ist der festen Überzeugung, dass wir das finstere Mittelalter nicht hinter uns gelassen haben, sondern es noch immer Hexen, Vampire, Werwölfe und Ungeheuer, die im Verborgenen nach unserer Seele, unserem Blut, unserem Fleisch greifen, gibt. Es gibt Tote, die keine Ruhe in ihrem Grab finden, und finstere Götter, die von den Sternen zu uns kamen.
Seine Horrorgeschichten beschäftigen sich aber nicht nur mit klassischen Monstern, er schreibt auch von dem alltäglichen Grauen, das uns alle umgibt. Von verdorbenen Menschen, die nach Geld, Macht oder Rache gieren. Von technischen Geräten, die kein Interesse daran haben, den Menschen das Leben zu erleichtern, und immer wieder von Lebensmitteln, die mit Vorsicht zu genießen sind.
Achperosch
Geboren in Wien. Unter seinem bürgerlichen Namen arbeitet er als Chefdramaturg an einem deutschen Theater, leitet ein internationales Opernfestival und hat bisher drei Romane
Weitere Kostenlose Bücher