Diabolos (German Edition)
ungelenk hinüber und versenkte ihn tief unten in einem der riesigen Müllcontainer.
Dann schlenderte er nach Hause und kaufte sich noch eine Tüte Fudge an der Tankstelle. Plötzlich hörte er ein leises Weinen. Er horchte, aus welcher Richtung das süße Geräusch kam, blickte über eine niedrige Hecke zu seiner Linken, hinter der ein kleines Mädchen in hellblauem Kleid mitten auf dem Rasen saß. Die rötlichen Zöpfe auf ihrem Köpfchen zuckten und wippten. Ihre Stimme war ein entzückendes Fiepen, das allerdings bereits heiser zu werden drohte. Noch ehe sie ihre liebliche Stimme völlig ruinierte, räusperte sich De Quincey und sie blickte auf.
»Haben sie dich ausgesperrt?«, fragte er lächelnd.
Das Mädchen nickte heftig mit dem Kopf. Es war noch keine vier, wie er schätzte.
»Dein Papa?«, fragte er weiter.
Wieder nickte sie. Diesmal zwar etwas weniger energisch, aber immerhin.
»Dein Stiefpapa sicherlich. Hm? Hat dich im Suff rausgeworfen, der alte Depp, nicht?«
Sie sah ihn aus großen Augen an. Sein Herz rebellierte. Was für eine Zuckerschnecke! Außerordentlich drollig mit ihrem runden Gesichtchen und den gigantischen, braunen Augen. Obwohl ihre beinahe nicht vorhandene Nase gerötet war vom Weinen, zitterte ihr winziger Mund bezaubernd unter einem erneut aufkeimenden Weinkrampf. Sie war klein für ihr Alter, so vermutete er jedenfalls. Er hob den Arm und ließ die Tüte mit Fudge über die Hecke baumeln.
»Lust auf ein paar Bonbons?«
Zu seinem Erstaunen schüttelte sie den Kopf dass die Zöpfe flogen. »Ich … ich … darf keine Bonbons mehr nach sieben Uhr.«
Ihre Stimme klang wie die einer Baby-Disneyfigur und er fragte sich ernsthaft, ob sie nicht zu süß war für diese schreckliche Welt.
»Man darf auch keine kleinen Mädchen nachts aus dem Haus werfen, hm? Prinzessin.«
Kurz überlegte sie, dann stand sie auf und taumelte schniefend auf die Hecke zu.
»Hast du auch welche mit Vanille?«, fragte sie und noch ehe er antworten konnte, war sie in der Hecke verschwunden.
Wenige Tage später hatte er endlich die alte Wohnung seiner Mutter verkauft und das sogar zu einem stattlicheren Preis als er sich erhofft hatte.
Noch am selben Abend kümmerte er sich um die Kühlboxen, leerte sie aus und entsorgte den Inhalt auf der Deponie. Er kaufte sich im Reisebüro ein Ticket nach Argentinien, obwohl er die Sonne hasste und die Kultur noch mehr. Doch dort war jemand, den er kannte und der ihm Starthilfe geben konnte, nach all dem Aufruhr, den das Verschwinden der kleinen Phyllis in den letzten Tagen verursacht hatte.
Niemand wollte diesbezüglich mit ihm sprechen, auch nicht Mr. Sergeant Constable. Und so fiel auch niemandem auf, dass Mr. Cedric De Quincey eines schönen Tages mit zwei großen Taschen das Haus verließ.
Die Sonne hatte ihn augenblicklich geröstet und er saß etwas verstimmt und mit schmerzender Haut in einem miefenden Taxi auf dem Weg nach Pueblucho – oder zumindest so etwas ähnlichem wie einer Straße, die ihn zu dem von allem verlassenen Nest bringen sollte. Als es für das Taxi irgendwann kein Weiterkommen gab, stieg er aus und hoffte auf weniger als eine Stunde Fußmarsch. Ungläubig stampfte er mit den Füßen in den Sand, der seine einst geputzten Lederschuhe augenblicklich mit argentinischem Hohn strafte.
De Quincey lief los und erreichte tatsächlich nach nur vierzig Minuten den Dorfrand. Er fragte sich mehr scheinbar zum Hause der Freundin seiner Mutter durch als wirklich Hilfe zu erwarten. Alle Gesichter begegneten ihm verkniffen und so neugierig, dass es ohne jeden Zweifel an Unhöflichkeit grenzte. Irgendwann fand er die La Calle El Faisán , den Fasanenweg, obwohl hier von Fasanen wirklich nicht die Rede sein konnte, und das Haus von Lola Nuría Herrerá. Die dickliche Frau saß auf einer angedeuteten Veranda und rauchte eine dünne Zigarette wobei sie etwas unverschämt Buntes strickte. De Quincey erkannte einen unförmigen Lappen, der in keine rechte Verwendungsform passen wollte. Die alte Dame blickte auf und seine Silhouette spiegelte sich einen Moment in ihren runden Brillengläsern, so dass es aussah wie überdimensionale gruselige Katzenaugen. Sie war gepflegter als der Rest der Bewohner Puebluchos, hatte noch all ihre Zähne, wie er feststellen konnte, als sie ihm breit zulächelte. Sie erhob sich langsam, steckte eine Strähne in ihre Turmfrisur zurück. Ein scharfer Wind kam auf und De Quincey schauderte unwillkürlich.
»Cedric, Emmas Sohn!
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