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Diabolos (German Edition)

Diabolos (German Edition)

Titel: Diabolos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: torsten scheib , Herbert Blaser
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Sieh mir nach, dass ich dich nicht vom Flughafen abgeholt habe.«
    Ihre Stimme klang warm und weich und die Umarmung dieser beinahe Fremden, die er nur einmal damals in ihrer Wohnung in Leeds gesehen hatte, war ihm ausnahmsweise nicht zuwider.
    »Hallo Lola«, flüsterte er nur, und eine Entschuldigung, dass er ihr zur Last fallen würde.
    »Zur Last? Ich bitte dich, Cedric! Deine Mutter hat mich damals aufgenommen, als mein Mann mich hinausgeworfen hatte mit nichts als einer Kittelschürze am Leib. Zur Last! Nein, also wirklich!«
    Sie hatte kaum Akzent, ihr Englisch war, wenn überhaupt, ein wenig verfärbt wie das einer Auswanderin. Er nickte dankbar und ließ sich von ihr ins Haus ziehen, eine kleine weiße Baracke, die allerdings sehr schnuckelig aussah inmitten der kahlen Bäume und bräunlichen Sträucher. Ein kleiner aber doch stattlicher Haufen Schrott lugte unter einem Strauch hervor. Etwas warf die Strahlen der Sonne zurück, wie das Glas in einem Bilderrahmen.
    »Es wird Herbst«, raunte sie und setzte einen Teekessel auf. De Quincey stutzte angesichts der alten Sessel, die weniger argentinisch als englisch aussahen. Abgesehen davon wirkte alles in der Baracke, die Tischdeckchen, die Teppiche, das öffentlich zu Schau gestellte Porzellan, englisch. Auch die Bilder an der Wand. Etwas unsicher ließ er sich in einen der Sessel fallen. Einen Augenblick lang sank er hinein und fühlte, wie sich sein Körper prickelnd entspannte.
    »Du hast dich gar nicht verändert«, hörte er Lolas Stimme aus der Küchennische.
    »Hätte ich sollen?«
    Ihr rundes Gesicht lugte hinter einem kleinen Regal hervor. Sie lächelte.

    Sein eigenes Reich war schlicht genial. Eine kleine Oase der Abgeschiedenheit bestehend aus einem kleinen Badezimmer und einem Raum, der wohl einmal als Arbeitszimmer für den alten Lautaro, Lolas mehr oder weniger freiwillig verstorbenen Ehemann, gedient haben könnte.
    Auch darum mieden die Leute Lola, denn als ihr Gatte endlich nach jahrelangen Streitereien das Zeitliche segnete, war ihr Ruf dahin und ihr Land verschrien, jeder einzelne der drei Quadratkilometer. Hier war die Hexerei anscheinend noch nicht ganz Vergangenheit. De Quincey nahm sich vor, hier die Artikel für seine eigene Zeitung zu schreiben, wer auch immer eine solche hier in der Einöde lesen wollte.
    Das Schlafzimmer hatte einen sonderbaren Reiz für ihn, denn von hier aus ging eine schmale Treppe nach oben auf den Dachboden. Er zählte elf Stufen bis in den hölzernen Speicher. Kein Licht drang von außen hinein und alles war ruhig und dunkel. Jedoch, gleich nachdem er seine letzte Habseligkeit verstaut hatte, hörte er das Scharren zum ersten Mal. Es zog sich über den ganzen Dachboden, von einer Wand zur anderen. Unwillkürlich dachte er an den fliegenden Vampirkopf, der hier hungrig nach einer Jungfrau Ausschau hielt.
    Dieses Ritual wiederholte sich bald Abend für Abend und er verstand, warum Lola wohl nur unten wohnte und auch dort schlief. Allerdings wollte sie von einem nächtlichen Wanderer dort oben nichts wissen. Obwohl nur ein paar Stufen und keine Tür De Quincey von dem Störenfried trennten, ging er nicht einmal hinauf, um nachzusehen. Nicht aus Angst, denn jedes Mal, wenn er innehielt und sich der ersten Stufe näherte, hörte das Schaben abrupt auf. Also zuckte er die Schultern und ging zu Bett.
    Einmal schaffte er es noch, ein relativ frisches Nasenbärenbaby, dem er beim besten Willen nicht wiederstehen konnte, mitzunehmen und zu sezieren. Den flauschigen Flaum hängte er sich über den Bettpfosten und streichelte ihn, wenn er nicht einschlafen konnte. Ohnehin seien die Nasenbären hier zunehmend eine Plage, hörte er die Leute im Dorf sagen. Eine Auswahl an kleinen Kindern war sozusagen gar nicht vorhanden, daher sammelte er bei seinen stundenlangen Spaziergängen im Gebirge ein paar flauschige Vogelspinnen und fand einmal ein neugeborenes Ozelot, dessen Schönheit und Verspieltheit ihn sogar ein paar Tränen kostete.
    Während dieser Zeit war es nicht schwer, den Ruhestörer vom Dachboden zu ignorieren, denn meist war er mit seiner Arbeit an den Tierchen und dem Schreiben so vertieft, dass es ihm meist nur auffiel, wenn es doch zu arg wurde dort oben.
    Dann, eines Morgens sah er die Botschaft. Wie in einem vorhersehbaren amerikanischen Horrorfilm tauchte sie nach dem Duschen auf dem Badezimmerspiegel auf. Oftmals hatte er sich über die Schreckhaftigkeit amüsiert, wenn die mit einem Handtuch mehr oder

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