Dicke Hose (German Edition)
hinaus.
Dr. Liebig sieht einen Moment irritiert zwischen mir und der Haustür hin und her. Anstatt Britney sofort hinterherzurennen, dreht er sich zu mir um und packt mich am Kragen. Mit einem Blick, als wolle er mir auf der Stelle ohne Betäubung den Weisheitszahn ziehen, zerrt er mich wüst zu sich heran.
«Sie mit Ihrer verdammten Technik!», zischt er. «Sie gehen mir auf die Nerven. Und noch etwas.» Seine Augen drohen aus den Höhlen zu springen. «Wenn meine Freundin aus einem Klo einen Schuhschrank oder aus einer Abstellkammer ein Klo machen möchte, dann ist das in erster Linie Ihr Problem und nicht meins. Schließlich wollen Sie die Wohnung verkaufen, nicht ich. Ich gehe nämlich jetzt einfach zur Konkurrenz und schaue mir dort etwas an. Und wenn morgen Ihr Chef nach Ihnen ruft, weil ich mich über Sie beschwert habe, möchte ich nicht in Ihrer Haut stecken!»
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2. Kapitel
«Na, Alex, heute wieder ein paar Käufer zur Ader gelassen?»
Mein Kumpel Ben, Wirt und Inhaber der Szenebar Goldquelle , boxt mir freundschaftlich seine Faust gegen die Brust. Es ist halb neun am Abend, und ich brauche dringend ein paar Bier, um mich abzureagieren.
Die Goldquelle ist dafür der ideale Ort. Sie ist eine gelungene Mischung aus Bar und Kneipe. Modern und dennoch gemütlich. Gediegen und ranzig zugleich. Cocktails schmecken hier ebenso lecker wie die drei ausgewählten Sorten Fassbier und alles, was die Getränkekarte sonst noch zu bieten hat.
Vor etwa fünf Jahren, an einem feuchtfröhlichen Silvesterabend, haben Ben, Florian und ich uns mehr oder weniger zufällig hier kennengelernt. Damals hieß der Laden noch Startschuss , und es war hauptsächlich der günstige Alkohol, der die Gäste anlockte. Als sich vor drei Jahren der Wirt der Kneipe zur Ruhe setzte, sah Ben, der bis dahin als Koch in der Event-Gastronomie ein freudloses Dasein gefristet hatte, seine Chance zur Selbständigkeit gekommen. Mit bewundernswertem Organisationsgeschick und seinen geplünderten Ersparnissen machte er den Laden innerhalb eines halben Jahres zu dem, was er jetzt ist: eine Goldquelle. An fünf Abenden die Woche steht Ben persönlich hinterm Tresen, ein Umstand, der dem Laden genau die persönliche Note verleiht, die man in anderen Kneipen oft vergeblich sucht. Hinzu kommt, dass Ben nun mal der geborene Wirt ist. Ein gutmütiger Brummbär mit wachsendem Bauchumfang, der bei seinen Angestellten ebenso beliebt ist wie bei den zahlreichen Stammgästen. Egal ob diese arm oder reich, alt oder jung sind – Ben hat für alle ein offenes Ohr. Über die meisten seiner Gäste weiß er inzwischen vermutlich sogar mehr als deren Hausarzt, Ehepartner oder Therapeut.
Ben ist 32, genau wie ich, aber damit haben sich unsere Gemeinsamkeiten auch bereits erschöpft. Wir sind grundverschieden, das fängt schon beim Äußeren an. Denn im Gegensatz zu mir spielt Ben größentechnisch eher in Dr. Liebigs Liga. Hinzu kommt, dass sich auf seinem Kopf bereits tiefe Geheimratsecken durchs Haar gefräst haben. Um das zu kompensieren, trägt er seit neuestem einen Vollbart. Vielleicht aber auch, um den Frauen zu demonstrieren, dass es um seine Testosteronwerte noch bestens bestellt ist.
Ob ich ein paar Käufer zur Ader gelassen habe? Erschöpft lasse ich mich am Tresen nieder. «Nee, lief nicht so gut heute», murmele ich und nehme einen tiefen Schluck von dem Bier, das er mir ungefragt hinstellt.
Der Tag heute hat mich komplett ausgelaugt. Wieder keine Provision. So langsam frage ich mich, warum ausgerechnet ich immer die Interessenten mit Sprung in der Schüssel erwische. Dabei müsste ich wirklich dringend mal wieder für Hambitare einen Coup landen, sonst wird mein Chef bald sauer.
Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal einen Deal zum Abschluss gebracht habe. Ich vermute, es war im Spätsommer. Jetzt haben wir Dezember. Und Friedrich von Klatt, der bei Hambitare eine Liste, den sogenannten Score , führt, verliert mit Sicherheit langsam die Geduld. Der Score ist eine Art Bestenliste aller Makler von Hambitare. Mittels eines ausgeklügelten Computerprogramms, das Verkäufe, Provisionen und Bewertungen des zu verkaufenden Objekts in Relation setzt, wird für jeden Mitarbeiter ein Platz auf der Liste ermittelt. Und diese Platzierung entscheidet dann darüber, welchen der Kollegen eine Zukunft bei Hambitare erwartet und welchen nicht. Diejenigen Mitarbeiter, die zum Jahresende auf den unteren beiden Plätzen stehen, erhalten die
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