Dicke Hose (German Edition)
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1. Kapitel
«Sie wissen nicht zufällig, ob jemand in diesem Haus eine Katze hält?»
«Nein.»
«Nein, Sie wissen es nicht, oder nein, es gibt keine Katzen?»
Ich weiß es nicht. Ich bin Makler, nicht Nostradamus.
«Es gibt keine Katzen.» Ich blicke Britney Bauer, einer schätzungsweise dreißigjährigen Wohnungsinteressentin mit blondiertem Haar und Hang zum Übergewicht, fest in die blau umschminkten Augen. Mir wird schwindelig. Ob sie weiß, dass das Farbspiel auf ihren flatternden Lidern beim Betrachter einen Verwackelungseffekt entstehen lässt? Es ist, als begutachte man ein 3-D-Gemälde ohne die dazugehörige Brille. Irritiert schaue ich aus dem Fenster.
«Sind Sie sicher?» Sie lässt nicht locker. «Ich leide nämlich unter einer birkenpollenassoziierten Tierhaarallergie. Schon wenige Katzenhaare vor meiner Türschwelle reichen aus, damit ich in ein anaphylaktisches Koma falle.»
Schon klar, denke ich, anaphallisches Koma. Was soll denn das bitte schön sein? Den Begriff hat sie doch todsicher auf der Pilatesmatte aufgeschnappt, und zwar im Kurs: Wie atme ich meine Hüften schlank? Lächerlich! Außerdem: Wenn hier gleich einer bewusstlos wird, dann bin das vermutlich ich. Weil es hier nämlich verdammt nach orientalischem Hammelfleischgewürz riecht, seit die Bauersfrau über die Türschwelle getreten ist. Unfassbar, was manche Leute unter Parfum verstehen! Mit Sicherheit stand auf der Verpackung sogar irgendwo der Warnhinweis: Nicht in geschlossenen Räumen verwenden! Aber lesen kann man mit den beschmierten Wimpern vermutlich nicht.
Zum Glück ist Britney Bauer nicht allein zum Besichtigungstermin erschienen. Ihr Begleiter, Dr. Klaus Liebig, ein kurzbeiniger Promi-Zahnarzt aus München, wirkt aufgrund seiner untersetzten Statur und der üppig zur Schau gestellten Körperbehaarung mehr wie ein Seebär als ein Dentalchirurg. Mit einer Körpergröße von schätzungsweise 1,65 Meter ist er für einen Mann nicht besonders groß. Doch genau dieser Umstand macht ihn in meinen Augen zu dem perfekten Kunden. Kleine Männer benötigen nämlich meist etwas zum Angeben. Etwas, womit sie über ihre Körpergröße hinwegtäuschen können. Ein teures Auto (Jeep natürlich, da sitzt man höher), eine Frau (am besten ein Topmodel, damit die Schönheit der Begleiterin vom Größenunterschied ablenkt) oder eben ein cooles Apartment. Da es mit dem Topmodel offensichtlich nicht geklappt hat, sucht er nun nach der Wohnung.
Glück für mich.
Zwar macht Dr. Liebigs Anwesenheit den Hammelgewürzgestank nicht besser, sie hat aber einen entscheidenden Vorteil: In ihm finde ich einen ernstzunehmenden Ansprechpartner. Er hat das Geld, er hat das Sagen. Und das ist auch gut so. Männer wissen beim Immobilienkauf nun mal besser, worauf es ankommt. Sie stellen kurze, präzise Fragen, lassen sich durch Fakten überzeugen und durch Technik begeistern. Sie werden nicht von Gefühlen geleitet, sondern erkennen in Sekundenschnelle, wenn ihnen ein sahnemäßiges Objekt präsentiert wird. Und die Wohnung, in der wir gerade stehen, ist ein solcher Glücksfall: Drei Zimmer verteilen sich auf luxuriöse 85 Quadratmeter, die Lage ist 1a, nämlich inmitten von Hamburgs modernstem Viertel, der Hafencity. Dazu kommt eine Innenausstattung, die sich sehen lassen kann, gepaart mit fortschrittlichster Technik. Kurz: Hier ist alles vom Feinsten. Und der Kaufpreis von 645000 Euro macht das einzigartige Angebot zu einem echten Schnäppchen.
Natürlich weiß Dr. Liebig das. Immerhin besichtigt er diese Wohnung bereits zum zweiten Mal – ein eindeutiges Indiz für sein ernstzunehmendes Kaufinteresse.
Blöd nur, dass er dieses Mal Entscheidungsbremse Britney im Schlepptau hat. Bei Wohnungsbesichtigungen präsentieren sich Frauen nämlich leider meist als unberechenbar. Im Gegensatz zu Männern stellen sie lange, irrelevante Fragen, lassen sich durch Fakten verwirren und von Technik langweilen. Ob ihnen ein Spitzenangebot vorliegt, ist Frauen herzlich egal, solange die Wohnung das richtige Karma, einen ansprechenden Geruch und einen Feng-Shui-Berater in der Nachbarschaft hat. Ein schwammiges Anforderungsprofil, würde ich sagen, das zudem für einen Mann nur schwer nachvollziehbar ist.
«Wissen Sie, Herr Held», sagt Dr. Liebig jetzt mit geradezu klischeehaft tiefer Arztstimme, «ich möchte mir hier in Hamburg ein zweites Standbein aufbauen. Eine zweite Praxis für ästhetische Kieferchirurgie, in der ich an drei
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