Dicke Luft auf Schreckenstein
unser Andi. Ich dacht’ noch, was latscht die denn so sportlich und rubbelt sich den Kopf?“
„Geh schleunigst auf Position zwei!“ flüsterte Ottokar. „Verstanden“, quakte Stephan zurück. „Ich bereite schon alles vor. Ende.“
Die Kaffeegesellschaft bei Fräulein Doktor Horn saß mit erhitzten Köpfen um den geblümten Tisch. Kein Wunder, sie redeten über das Modell Schreckenstein. Ihre bisherigen Erfahrungen beziehungsweise voreiligen Schlüsse und die ablehnende Einstellung der Leiterin hatten ihnen im Verein mit Tee und Kaffee eingeheizt.
Vom ritterlichen Standpunkt aus hätte bei diesem Gespräch der Rex dabeisein müssen, um sich gegen die Vorwürfe und Voreingenommenheiten wehren zu können. Aber gerade die Ritterlichkeit wurde ja verteufelt.
Zwischendurch waren für kurze Zeit sanfte Töne zu vernehmen gewesen, als nämlich der Psychobart, die Schnittlauchsemmel, die Hilferuferin und der Lockenprofessor das Zimmer verließen, um aus einem Fenster des Ostflügels den Bergblick zu genießen. Nach Ansicht der Leiterin erinnere dieser Blick, besonders jetzt im Frühherbst, an einen bestimmten Maler, dessen Name ihr dummerweise nicht einfiele.
Während die vier im Bildungswettstreit aus dem Fenster schauten, um auf den Namen des Malers zu kommen, schwelgten Leo und Adelchen, wie sich der Weißhaarige und die Rektorin nannten, in Erinnerungen.
Mit der Bildung der vier war es nicht so weit her, wie von Lehrkörpern zu erwarten gewesen wäre. Sie konnten den Namen des Malers auch nicht nennen und verbissen sich erneut in kritische Mutmaßungen über das Modell Schreckenstein.
Währenddessen litt Pummel hinter dem Giebel des alten Schrankes Qualen. Nicht wegen der Äußerungen, die sie machten. Ihm war infolge der zusammengekauerten Lage ein Bein eingeschlafen. Er mußte es ausstrecken. Dabei stieß er mit dem fühllosen Fuß gegen eine Vase voller Blumen. Der Psychobart hatte sie im Verlauf der Kaffeestunde vom Tisch genommen und an der Seite auf den Schrank gestellt, um Platz für die Kuchenplatten zu schaffen. Die Vase fiel herunter und zerbrach.
„Meine schöne Vase!“ klagte Fräulein Doktor Horn. Stuhlrücken und Schritte waren zu hören. Was sich im Zimmer tat, konnte Pummel hinter dem hohen Giebel nicht sehen. Er zog das Bein schleunigst wieder zurück und wagte nicht mehr zu atmen.
„Entschuldigung, ich hab sie nicht richtig hingestellt!“ sagte der Psychobart.
Pummel wollte schon aufatmen, als ihm die rauhe Stimme der Schnittlauchsemmel alle Hoffnung nahm. „Sie sind nicht schuld, Herr Stark. Da droben liegt jemand.“
Protest wurde laut. Gleich würden sie auf Stühle steigen und ihn herunterziehen. Dem wollte Pummel zuvorkommen. Von unten, wie im Kasperltheater, tauchte sein Kopf hinter dem Giebel auf, und mit frischer Stimme rief er: „Willkommen auf Rosenfels!“
Seine Frechheit verfehlte ihre Wirkung nicht. Studienquintett und Fräulein Doktor Horn starrten zu ihm hinauf, als sei er ein Geist.
In diesem Augenblick zerriß ein ohrenbetäubender Knall die Stille. Gleich darauf noch einer. Die Detonationen kamen aus Richtung Sportplatz.
„Meine Mädchen! Um Gottes willen!“ krächzte Fräulein Doktor Horn und rannte aus dem Zimmer. Der weiße Leo und der Lockenprofessor flitzten hinterher.
„Hilfe!“ rief die gelernte Hilferuferin und folgte ihnen, so schnell es ihre Fülle erlaubte. Nur die Schnittlauchsemmel und der Psychobart blieben stehen.
„Haben wir dich, Bürschchen!“ höhnte sie.
„Runter mit dir. Aber schnell!“ zischte er.
Pummel rührte sich nicht. Da krachte der dritte Kanonenschlag, und auch sie stürzten hinaus.
Täuschungsmanöver
An diesem Abend tischte Heini, der Koch, ein Lieblingsgericht der Ritter auf: zuerst italienischen Salat, stattliche Portionen in Suppentellern, dann Apfelkuchen – große, rechteckige Stücke in beliebiger Menge –, dazu Schlagsahne.
Andi, mit fünfundzwanzig Stück Apfelkuchen Rekordhalter, kaute an diesem Abend bei der Hälfte herum. Andere gefürchtete Esser schafften nicht einmal zehn. Die allgemeine Appetitlosigkeit hing mit den jüngsten Ereignissen zusammen, oder, wie Klaus es ausdrückte: „Mir liegt das ganze Quintett quer im Magen, daß die Sahne sauer wird.“
Sofort nach der Rückkehr hatte Schulkapitän Ottokar dem Rex Bericht erstattet.
Direktor Meyer wußte bereits Bescheid, allerdings aus anderer Sicht.
„Da lief ja einiges schief“, sagte er. „Fräulein Doktor Horn hat sich bitter bei
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