Dicke Luft auf Schreckenstein
mir beschwert. Unsere Gäste übrigens auch. Ihre Meinung von uns ist total in den Keller gerutscht. Von mir vor allem. Nun, das kennen wir ja. Wenn ihr Pech habt, bin immer ich der Schuldige. Aber diesmal ist es besonders schlimm, denn morgen wollen sie wegfahren. Die Zeit drängt also. Mit dem jetzigen Eindruck können wir sie nicht ziehen lassen.“
Kein Wort der Kritik, keine Verhaltensmaßregeln. Selbst in dieser Lage ließ er den Rittern völlige Freiheit. Tief beeindruckt beriet sich Ottokar mit allen Beteiligten. Die versäumte Arbeitsstunde würden sie nachholen.
Vor sich hinmuffelnd und mit ähnlich schmalem Appetit, saß das Studienquintett am Lehrertisch, wo hauptsächlich Doktor Waldmann redete. Mit großen, unterstreichenden Gesten versuchte er offenbar das Klima zu verbessern.
„Achtung! Achtung! Hier ist der Geheimsender Burg Schreckenstein“, tönte da Pummels Stimme aus mehreren Lautsprechern, „unsere Agenten haben auf Schloß Rosenfels eine Verschwörung aufgedeckt, von der wir jetzt in einer Zusammenfassung berichten. Alle sollen wissen, woran sie miteinander sind.“
Der Eßsaal stand wie unter Starkstrom.
„Ist ja Wahnsinn!“ flüsterte der vorsichtige Dieter. Schaltgeräusche füllten die Pause, kein Unterkiefer setzte seine Zerkleinerungsarbeit fort.
Eine helle Stimme erhob sich: „Ich kam mit hohen Erwartungen, was das Schreckensteiner Modell betrifft…“
„Die Hilfesucherin!“ stellte Dampfwalze fest.
„Aber…“ fuhr die Stimme fort, „jetzt muß ich Ihnen recht geben, Kollegin Horn. Alles ist so gekommen, wie Sie’s uns in der Gastwirtschaft vorausgesagt haben.“
„Genau!“ bestätigte zweifelsfrei die rauhe Stimme der Schnittlauchsemmel. „Das ganze Ritterlichkeitsgetue ist für mich Bluff. Die Jungen haben sich da in eine Scheinwelt hineingesteigert.“
Der kleine Egon lachte laut und schrill. Da räusperte sich der Psychobart und holte Luft für einen langen Satz. „Meyers Intentionsansatz überstrapaziert die Individuationskapazität seiner adoleszenten Pseudopartner.“
Schallendes Gelächter quittierte dieses Fremdwörterungetüm.
„Eben!“ ließ sich der Lockenprofessor vernehmen.
„Partnerschaft zwischen Lehrern und Schülern hat ihre natürlichen Grenzen. Und die liegen, wenn ich das einmal präzisieren darf…“
„Im Kappellsee!“ sagte Hans-Jürgen unüberhörbar, und die nächste Lachsalve explodierte.
Mit erstarrten Grimassen saß das Quintett am Lehrertisch.
„Schaut sie an! Wie Schaufensterpuppen!“ witzelte Mücke.
„ Pssst !“ zischte Strehlau , weil man nichts mehr verstand. Aus dem abebbenden Lärm schälte sich die Stimme von Fräulein Doktor Horn: „…und ich habe dem Kollegen Meyer immer wieder gesagt, daß ich es unverantwortlich finde, diese Schreckensteiner Streiche als Kreativitätsventil zu tolerieren. Die Jungen sollen im Unterricht kreativ sein und nicht nachts! Da brauchen sie ihren Schlaf. Den holen sie sonst in der Klasse nach, wie sie überhaupt angeblich von sich aus alles nachholen, was sie versäumen.“
„Genau! Der Ehrlichkeitstick ist ja fast schon neurotisch zu nennen!“ fuhr die Schnittlauchsemmel dazwischen. „Gesunde Jungen versuchen sich gegen die Erwachsenen zu behaupten, indem sie unter anderem auch schwindeln. Eine geschickte Schwindelei hat für mich etwas Kreatives…“
„Das dacht’ ich mir!“ rief Dampfwalze und klatschte mit dem Löffel in die Sahne, daß er in seinem roten Hemd wie ein Fliegenpilz aussah.
Die Schnittlauchsemmel sprach weiter. „Aber wir haben uns da was ausgedacht, wie wir sie drankriegen mit ihrer Ehrlichkeit. Die werden sich wundern!“
„Ich wünsche Ihnen Erfolg“, sagte Fräulein Doktor Horn. „Damit die mal aufwachen. Ein gesundes Mißtrauen, wie es meine Mädchen mir entgegenbringen, ist für später unerläßlich . Wie oft habe ich dem Kollegen Meyer schon gesagt: Ich verstehe Sie nicht! Aber dann lacht er bloß und sagt: Nein, liebe Kollegin, Sie verstehen uns wirklich nicht.“
„Bravo!“ rief Ralph und klatschte Beifall. Die gesamte Ritterschaft klatschte mit, und am Mitteltisch schmunzelte der Rex still vor sich hin.
Aus den Lautsprechern drangen Schaltgeräusche, dann war Pummel wieder zu hören: „Nun folgt eine Kostprobe vom Bildungsstand gewisser Lehrkörper.“
Und schon war da wieder die Stimme von Fräulein Doktor Horn. „Jetzt im Herbst haben wir vom Ostflügel aus den herrlichsten Bergblick, den man sich denken kann. Wenn Sie sich
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