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Die 10. Symphonie

Die 10. Symphonie

Titel: Die 10. Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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keinen direkten Zugang, sondern war nur durch das angrenzende Sekretariat zu erreichen. Doch nun, zur Mittagszeit, waren die Türen nur angelehnt, und das Verwaltungspersonal glänzte durch Abwesenheit. Wer würde schon auf die Idee kommen, im Institut mit dem geringsten Etat der ganzen Universität etwas zu stehlen? Bevor Daniel vorstellig wurde, suchte er die nächste Toilette auf, um sich frisch zu machen. Dieser Termin und vor allem die Tatsache, dass Durán ihm am Telefon bewusst verschwiegen hatte, worum es sich handelte, riefen bei ihm die beiden Angstsymptome hervor, die er am meisten hasste: Schwitzen und Herzrasen. In letzter Zeit hatte er nur noch an seiner Abhandlung über Beethoven gearbeitet, sogar während der Vorlesungszeit, und dabei hemmungslos von allen Mitteln des Instituts Gebrauch gemacht, abgesehen von den finanziellen. Er befürchtete, dass Durán ihm nun die Leviten lesen oder ihn gar vollständig vom Dienst suspendieren und sein Gehalt einfrieren würde. Und natürlich konnte man auch das Schlimmste nicht ausschließen: dass das heruntergekommene Institut wegen einer Etatkürzung geschlossen werden musste.
    Nachdem er sich ein wenig beruhigt hatte, ging er ohne anzuklopfen durch die halboffene T ür in Duráns Büro. Dieser telefonierte gerade. Jedes Mal wieder sprangen Daniel an ihm zwei Dinge ins Auge: Unabhängig vom Wetter zog Durán niemals die Jacke oder den Mantel aus. Dadurch erweckte er immer den absurden Eindruck, in seinem eigenen Büro nur Besucher zu sein. Und er besaß erstaunliche Ähnlichkeit mit Silvio Berlusconi. Doch Daniel war sicher, sollte Durán jemals eine Glatze bekommen wie der italienische Politiker, er würde sich nie einer Haartransplantation unterziehen. Zum Glück besaß Durán einen dichten, kaum ergrauten Schopf und ein Gespür für Lächerlichkeit. Von seinem Doppelgänger unterschied ihn auch seine unzweifelhafte Rechtschaffenheit. Ob diese aus der Moral geboren war oder aus der Tatsache, dass es schier unmöglich war, in einem finanziell so schlecht ausgestatteten Institut Geld für krumme Zwecke abzuzweigen, blieb jedoch offen.
    Mit einem »Geht doch zum Teufel, du und das ganze Erziehungsministerium« beendete Durán das Telefongespräch und erhob sich, um seinem Mitarbeiter die Hand zu geben.
    »Guten Tag, Daniel Paniagua.«
    Er sprach ihn immer mit Vor- und Nachnamen an. Wie die Ehefrauen in amerikanischen Fernsehfilmen, wenn sie mit ihren wie gemei ßelt aussehenden Männern schimpfen: »John McBride, ich will, dass du augenblicklich dieses Whiskyglas wegstellst und mir zuhörst.« »Mach nicht so ein verschrecktes Gesicht. Wovor hast du Angst?«
    »Ich habe keine Angst.« Eine glatte Lüge. Auch wenn Duráns Satz und sein Lä cheln ihn beruhigen sollten, schlug Daniel das Herz immer noch bis zum Hals.
    »Ich möchte dich um einen Gefallen bitten«, sagte der Institutschef und schaute Daniel so streng an, als wolle er ein Disziplinarverfahren gegen ihn eröffnen. Doch dieser Blick konnte Daniel nichts mehr anhaben, denn Duráns Bitte und vor allem der Tonfall, in dem sie vorgetragen wurde, hatten auf ihn einen ähnlich beruhigenden Effekt wie eine ganze Packung Betablocker. »Einen Gefallen? Selbstverständlich, alles, was in meiner Macht steht. Worum handelt es sich?« »Du sollst ein Konzert besuchen.«
    Durán öffnete die größte Schublade seines Schreibtisches und fischte ein Konzertprogramm heraus, das Daniel eilig zu entziffern versuchte. Sein Chef gab es ihm jedoch nicht sogleich, sondern behielt es in der Hand, um die Neugier, die in Daniels Gesicht glühte, noch zu schüren. Dieser versuchte den Zettel zu ignorieren und ein gleichgültiges Gesicht aufzusetzen. »Ein Konzert soll ich also besuchen ? Kann ich dir noch mehr solcher Gefallen tun ?« »Dieses Konzert besuchst du nicht nur, um Musik zu hören. Vor allem sollst du dort für mich spionieren.« »Aha. Was wird denn da gespielt?«
    »Beethoven. Über ihn schreibst du doch bekanntlich gerade«, schmunzelte Durán. Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Vergangene Woche habe ich übrigens gelesen, dass Beethoven spanische Wurzeln hatte.« »Er wurde der Schwarzspanier genannt, weil er sehr dunkle Haut hatte. Manche behaupten sogar, er habe spanische Vorfahren gehabt.«
    »Schreib das in dein Buch. Ehre, wem Ehre gebührt. Jetzt nimm schon und wirf einen Blick darauf.«
    Endlich reichte ihm Durán das Programm, und Daniel riss es ihm fast aus der Hand. Er zuckte zusammen, als er den

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