Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
von Melancholie und begann zu weinen, während er Schwejk fragte, ob er eine Mutter gehabt habe.
»Ich bin allein auf der Welt, Leutl!« schrie er aus der Droschke, »nehmt euch meiner an!«
»Mach mir keinen Schkandal«, ermahnte ihn Schwejk, »hör auf, sonst wird jeder sagen, daß du dich besoffen hast.«
»Ich hab nichts getrunken, Kamerad«, antwortete der Feldkurat, »ich bin ganz nüchtern.«
Aber auf einmal stand er auf und salutierte: »Melde gehorsamst, Herr Oberst, ich bin besoffen.
Ich bin ein Schwein«, wiederholte er rasch hintereinander in verzweifelter, aufrichtiger Hoffnungslosigkeit.
Und zu Schwejk gekehrt, bat und bettelte er hartnäckig: »Werfen Sie mich doch aus dem Automobil hinaus! Warum wollen Sie mich mitnehmen?«
Er setzte sich nieder und brummte: »Um den Mond herum bilden sich Räder. – Glauben Sie an die Unsterblichkeit der Seele, Herr Hauptmann? Kann ein Pferd in den Himmel kommen?«
Er fing laut zu lachen an, aber bald darauf wurde er traurig und apathisch und schaute Schwejk an, wobei er bemerkte: »Erlauben Sie, mein Herr, ich habe Sie schon irgendwo gesehen. Waren Sie nicht in Wien? Ich erinner mich an Sie aus dem Seminar.«
Eine Zeitlang unterhielt er sich damit, lateinische Verse zu deklamieren: »Aurea prima satast aetas, quae vindice nullo.« 5
|122| »Weiter gehts nicht!« sagte er, »werfen Sie mich hinaus! Warum wollen Sie mich nicht hinauswerfen? Es wird mir nichts geschehn.
Ich will auf die Nase fallen«, erklärte er mit entschiedener Stimme.
»Lieber Herr«, fuhr er wieder bittend fort, »teurer Freund, geben Sie mir eine Ohrfeige.«
»Eine oder mehrere?« fragte Schwejk.
»Zwei.«
»Hier sind sie …«
Der Feldkurat zählte laut die Ohrfeigen, die er bekam, wobei er glückselig zu sein schien.
»Das tut wohl«, sagte er, »wegen dem Magen, es fördert die Verdauung. Geben Sie mir noch eins übers Maul.«
»Herzlichen Dank!« rief er, als Schwejk ihm schnell willfahrte, »ich bin vollständig zufrieden. Zerreißen Sie mir die Weste, ich bitt Sie.«
Er äußerte die merkwürdigsten Wünsche. Er wünschte, Schwejk solle ihm ein Bein ausreißen, ihn ein bißchen würgen, ihm die Nägel schneiden oder die Vorderzähne ziehen.
Er äußerte Märtyrerwünsche und verlangte, Schwejk möge ihm den Kopf abreißen und in einem Sack in die Moldau werfen.
»Mir würden die Sternchen um den Kopf gut stehen«, sagte er mit Begeisterung, »ich könnt ihrer zehn brauchen.«
Dann begann er von den Rennen zu sprechen und ging schnell zum Ballett über, bei dem er sich auch nicht lange aufhielt.
»Tanzen Sie Csárdás?« fragte er Schwejk, »kennen Sie den Bärentanz? So …«
Er wollte in die Höhe springen und fiel auf Schwejk, der zu boxen anfing und ihn dann auf den Sitz legte.
»Ich will etwas!« schrie der Feldkurat, »aber ich weiß nicht was. Wissen Sie nicht, was ich will?« Er ließ den Kopf in völliger Resignation hängen.
»Was gehts mich an, was ich will«, sagte er ernst, »und Sie, Herr, gehts auch nichts an. Ich kenne Sie nicht. Was unterstehn Sie sich, mich zu fixieren? Können Sie fechten?«
|123| Er wurde für eine Minute kampflustig und machte den Versuch, Schwejk vom Sitz zu werfen.
Dann, als Schwejk ihn beruhigt hatte, wobei er ihn ohne Scheu sein physisches Übergewicht fühlen ließ, fragte der Feldkurat: »Haben wir heut Montag oder Freitag?«
Er war auch neugierig, ob gerade Dezember oder Juni sei, und bezeugte eine große Fähigkeit, die verschiedensten Fragen zu stellen: »Sind Sie verheiratet? Essen Sie gern Gorgonzola 6 ? Habt ihr zu Haus Wanzen gehabt? Hatte euer Hund die Hundeseuche?«
Er wurde mitteilsam. Er erzählte, daß er für die Reitstiefel die Peitsche und den Sattel schuldig sei, daß er vor Jahren Tripper gehabt und ihn mit Hypermangan kuriert habe.
»Zu etwas anderem war weder Zeit noch Rat«, sagte er rülpsend, »kann sein, daß es Ihnen bitter scheint. Aber sagen Sie, eah, eah, was soll ich machen, eah? Sie müssen mirs schon verzeihn.
Autotherm«, fuhr er fort, indem er vergaß, wovon er vor einer Weile gesprochen haue, »heißen Gefäße, die Getränke und Speisen in ihrer ursprünglichen Wärme erhalten. Was halten Sie davon, Herr Kollege, welches Spiel ist gerechter: Färbl oder Einundzwanzig?
Wirklich, ich hab dich schon irgendwo gesehn!« rief er, indem er versuchte, Schwejk zu umarmen und mit den Lippen voller Speichel zu küssen, »wir sind zusammen in die Schule gegangen.
Du guter Kerl, du«, sagte
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