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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
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Granate entdecke, und hatte keinen anderen Wunsch, als daß sein Herr verwundet werden möge, damit er mit ihm recht weit in die Etappe, ins Hinterland gelangen könne.
    Die Panik pflegte er systematisch mit einer gewissen Geheimnistuerei herbeizuführen: »Mir scheint, sie legen das Telefon zusammen«, teilte er vertraulich den Schwärmen mit. Und war glücklich, wenn er sagen konnte: »Sie hams schon zusammgelegt.«
    Niemand ergriff so gern die Flucht wie er. In so einem Augenblick vergaß er, daß über seinem Kopf Granaten und Schrapnells schwirrten, und bahnte sich unermüdlich mit dem Gepäck einen Weg zum Stab, wo der Train stand. Er liebte den österreichischen Train und liebte es außerordentlich, sich fahren zu lassen. Schlimmstenfalls benutzte er die Sanitätskarren. Mußte er zu Fuß gehen, machte er den Eindruck eines völlig vernichteten Menschen. In so einem Fall ließ er das Gepäck seines Herrn im Schützengraben und schleppte bloß seinen eigenen Besitz.
    |176| Kam es vor, daß der Offizier sich durch Flucht vor der Gefangenschaft rettete und der Offiziersdiener nicht, vergaß dieser unter keinen Umständen, auch das Gepäck seines Herrn in die Gefangenschaft mitzunehmen. Es ging in seinen Besitz über, an dem er mit ganzer Seele hing!
    Ich habe einen in Kriegsgefangenschaft geratenen Offiziersdiener gesehen, der von Dubno mit den anderen zu Fuß bis nach Darnic hinter Kiew gegangen war. Er hatte nebst seinem Rucksack und dem Rucksack seines Offiziers, der der Gefangennahme entronnen war, fünf Handkoffer verschiedener Größe, zwei Decken und ein Polster nebst einem Gepäckstück, das er auf dem Kopf trug, bei sich. Er beschwerte sich, die Kosaken hätten ihm zwei Koffer gestohlen.
    Nie werde ich diesen Menschen vergessen, der sich so durch die ganze Ukraine schleppte. Er war ein lebendiger Spediteurwagen, und ich kann mir nicht erklären, wie er das alles ertragen, so viele Hundert Kilometer weit schleppen, damit nach Taschkent fahren und es behüten konnte, um dann auf seinem Gepäck im Gefangenenlager an Flecktyphus zu sterben.
    Heute sind die Offiziersdiener über unsere ganze Republik verstreut und erzählen von ihren Heldentaten. Sie haben Sokal, Dubno, Nisch, die Piave gestürmt. Jeder von ihnen ist ein Napoleon.
    »Ich hab unserm Oberst gesagt, er soll dem Stab telefonieren, daß es schon losgehn kann.«
    Größtenteils waren es Reaktionäre, und die Mannschaft haßte sie. Einige waren Angeber, und es war eine besondere Freude für sie, wenn sie zuschauen konnten, wie man jemanden anband.
    Sie entwickelten sich zu einer besonderen Kaste. Ihr Egoismus kannte keine Grenzen.

    III

    Oberleutnant Lukasch war der Typus eines aktiven Offiziers der morschen österreichischen Monarchie. Die Kadettenschule hatte ihn zu einer Amphibie erzogen. Er sprach in Gesellschaft |177| deutsch, schrieb deutsch, las tschechische Bücher, und wenn er in der Einjährigfreiwilligenschule vor lauter Tschechen unterrichtete, sagte er ihnen vertraulich: »Seien wir Tschechen, aber es muß niemand davon wissen. Ich bin auch Tscheche.«
    Er betrachtete das Tschechentum als eine Art Geheimorganisation, der man besser von weitem ausweicht.
    Sonst war er ein braver Mensch, fürchtete sich nicht vor seinen Vorgesetzten und kümmerte sich bei den Manövern um seinen Zug, wie sichs gebührt und gehört. Er wußte ihn stets bequem in Scheunen unterzubringen und ließ häufig von seiner bescheidenen Gage seinen Soldaten ein Faß Bier anzapfen.
    Er hörte es gern, wenn die Soldaten während des Marsches Lieder sangen. Sie mußten auch singen, wenn sie von der Übung und zu der Übung gingen. Und neben seinem Zug gehend, sang er mit ihm:
    Und als die Mitternacht kam heran,
    aus dem Sack der Hafer sprang.
    Bumatrija bum!
    Er erfreute sich bei den Soldaten einer großen Beliebtheit, denn er war ungewöhnlich gerecht und hatte nicht die Gewohnheit, jemanden zu sekkieren.
    Die Unteroffiziere zitterten vor ihm, und aus dem rohsten Feldwebel machte er binnen vier Wochen ein wahres Schäfchen.
    Er konnte schreien, das ist wahr, aber niemals schimpfte er. Er gebrauchte gewählte Worte und Sätze: »Sehen Sie«, sagte er, »ich strafe Sie wirklich ungern, Junge, aber ich kann mir nicht helfen, denn von der Disziplin hängt die Fähigkeit, die Tapferkeit des Militärs ab, und ohne Disziplin ist die Armee ein im Wind schwankendes Schilfrohr. Wenn Sie Ihre Montur nicht in Ordnung haben und die Knöpfe nicht gut angenäht sind und fehlen,

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