Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
»Der Herr Feldkurat hat Sie als ungeheuren Blödian empfohlen, ich glaube, er hat sich nicht geirrt.«
»Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, der Herr Feldkurat hat sich wirklich nicht geirrt. Wie ich aktiv gedient hab, bin ich wegen Blödheit superarbitriert worn und noch dazu wegen notorischer. Sie ham unser deswegen zwei vom Regiment entlassen, mich und einen Herrn Hauptmann von Kaunitz. Wenn der, mit Erlaubnis, Herr Oberlajtnant, auf der Gasse gegangen is, hat er sich gleichzeitig fort mit einem Finger der linken Hand im linken Nasenloch gebohrt und mit der andern im rechten Loch, und wenn er mit uns zur Übung gegangen is, so hat er uns immer antreten lassen wie bei der Defilierung und hat gesagt: ›Soldaten, eh, merkts euch, eh, daß heut Mittwoch is, weil morgen Donnerstag sein wird, eh.‹«
Oberleutnant Lukasch zuckte die Achseln wie ein Mensch, der keine Worte hat, um einen bestimmten Gedanken auszudrücken und vergeblich nach ihnen sucht.
Er ging an Schwejk vorbei von der Tür bis zum gegenüberliegenden Fenster und wieder zurück, wobei Schwejk, je nachdem, wo sich der Oberleutnant gerade befand, mit einem so intensiv unschuldigen Gesicht »rechtsschaut« und »links schaut « machte, daß der Oberleutnant die Augen senkte, auf den Teppich blickte und etwas sagte, was keinerlei Zusammenhang mit Schwejks Bemerkung über den blöden Hauptmann hatte: »Ja, bei mir muß Ordnung und Sauberkeit sein, und man darf mich nicht belügen. Ich liebe Ehrlichkeit. Ich hasse die Lüge und strafe sie unbarmherzig, verstehn Sie mich gut?«
»Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, ich versteh. Nix is ärger, wie wenn jemand lügt. Wie er sich zu verwickeln anfängt, is er verloren. In einem Dorf hinter Pilgram war ein gewisser Lehrer Marek, und der is der Tochter vom Heger Schpera nachgestiegen, und der hat ihm sagen lassen, daß er ihm, bis er ihn trifft, ausm Gewehr Borsten mit Salz in Hintern schießen wird. Der Lehrer hat ihm sagen lassen, daß es nicht wahr is, aber einmal, wie er sich mit dem Mädel hat treffen |181| solln, hat ihn der Heger abgefangen und hat schon an ihm diese Operation machen wolln, aber er hat sich ausgeredet, daß er herich Blumen pflücken wollt, daß er Käfer fangen gegangen is, und hat sich je weiter desto mehr verwickelt, bis er zum Schluß beschworen hat, daß er Schlingen auf Hasen legen gegangen is. So hat ihn also der liebe Heger zusammengepackt und auf die Gendarmeriestation geführt, von dort is es zum Gericht gegangen, und es hat nicht viel gefehlt, so wär der Lehrer eingesperrt worn. Wenn er die Wahrheit gesagt hätt, so hätt er nur die Borsten mit Salz gekriegt. Ich bin der Meinung, daß es immer am besten is, zu gestehn, aufrichtig zu sein, und wenn ich schon was anstell, zu kommen und zu sagen: ›Melde gehorsamst, ich hab das und das angestellt.‹ Und was die Ehrlichkeit betrifft, is es immer eine sehr hübsche Sache, weil man mit ihr immer am weitesten kommt. So wie wenn diese Wettgehen sind. Wie einer zu fixeln anfängt und lauft, is er schon distanziert. Das is meinem Vetter passiert. Ein ehrlicher Mensch is überall geschätzt, geehrt, mit sich selbst zufrieden und fühlt sich wie neugeboren, wenn er sich abends ins Bett legt und sagen kann: ›Heut war ich wieder ehrlich.‹«
Während dieser Rede saß Oberleutnant Lukasch schon lange auf einem Stuhl, blickte Schwejk auf die Stiefel und dachte: Mein Gott, ich rede ja auch manchmal solche Blödheiten, und der Unterschied liegt nur in der Form, in der ich sie vorbringe.
Nichtsdestoweniger sagte er, da er seine Autorität nicht verlieren wollte, als Schwejk geendet hatte: »Bei mir müssen Sie Stiefel putzen, Ihre Uniform in Ordnung halten, die Knöpfe ordentlich angenäht haben und müssen den Eindruck eines Soldaten und nicht irgendeines Zivilisten machen. Es ist merkwürdig, daß sich keiner von euch militärisch benehmen kann. Nur einer von allen meinen Dienern hat ein kriegerisches Äußeres gehabt, und zum Schluß hat er mir meine Paradeuniform gestohlen und in der Judenstadt verkauft.«
Er brach ab und fuhr fort, Schwejk alle seine Pflichten zu erklären, wobei er nicht vergaß, nachdrücklich zu betonen, daß |182| Schwejk treu sein müsse und nirgends erzählen dürfe, was zu Hause geschehe.
»Zu mir kommen Damen zu Besuch«, bemerkte er, »manch mal bleibt eine über Nacht hier, wenn ich am Morgen keinen Dienst habe. In so einem Fall bringen Sie uns den Kaffee zum Bett, wenn ich läute, verstehn
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