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Die Abenteuer des Sherlock Holmes Bd.1

Die Abenteuer des Sherlock Holmes Bd.1

Titel: Die Abenteuer des Sherlock Holmes Bd.1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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verdunkelte Laterne angezündet worden. Ich hörte das Geräusch vorsichtiger Bewegungen, dann war wieder Ruhe, nur der Geruch verstärkte sich. Eine halbe Stunde saß ich gespannt lauschend da. Dann gab es auf einmal einen anderen Ton – sehr sanft, lieblich und so anhaltend, als entweiche aus einem Kessel Dampf. In dem Augenblick, da wir dies wahrnahmen, sprang Holmes hoch, riß ein Streichholz an und schlug mit seinem Stock rasend auf den Klingelzug ein.
      »Sehen Sie, Watson,« schrie er, »sehen Sie es?«
      Aber ich sah nichts. Holmes hatte das Streichholz angerissen, und ich hörte das leise, klare Pfeifen; die jäh aufleuchtende Flamme blendete meine übermüdeten Augen, so daß ich unmöglich ausmachen konnte, gegen was mein Freund so wild losdrosch. Ich erkannte nur, daß sein Gesicht totenblaß und vor Schreck und Ekel verzerrt war.
      Er hatte das Schlagen eingestellt, beobachtete jedoch weiterhin das Entlüftungsloch, als der grauenvollste Schrei, den ich je gehört habe, die Stille der Nacht zerriß. Er wuchs und wuchs, ein heiserer Schrei, in dem sich Schmerz und Angst und Wut mischten. Es wird behauptet, daß dieser Schrei die Leute im Dorf und im noch weiter ent fernt gelegenen Pfarrhaus aus den Betten gerissen habe. Uns fuhr er kalt durchs Herz, und ich stand da und starrte Holmes an, und der starrte mich an, bis das letzte Echo verhallt war und wieder die Stille herrschte, aus der er sich erhoben hatte.
      »Was mag das bedeuten?« stieß ich hervor.
      »Das bedeutet: Es ist alles vorbei«, antwortete Holmes. »Und vielleicht ist es so das beste. Nehmen Sie Ihre Pistole. Wir gehen ins Zimmer von Dr. Roylott.«
      Mit ernster Miene zündete er die Lampe an und ging über den Korridor voran. Zweimal klopfte er gegen die Tür, ohne Antwort zu bekommen. Dann drückte er die Klinke herunter und trat ein; ich folgte ihm auf den Fersen mit gezückter Pistole.
      Uns bot sich ein ungewöhnlicher Anblick. Auf dem Tisch stand eine Laterne mit halb geöffneten Blenden. Sie warf einen Lichtstrahl auf den Safe, dessen Tür offenstand. Neben dem Tisch saß auf dem Holzstuhl Dr. Grimesby Roylott in einem langen grauen Morgenmantel, aus dem seine nackten Unterschenkel ragten; die Füße steckten in roten türkischen Pantoffeln. Quer über seinem Schoß lag die Hundepeitsche mit dem kurzen Griff und der langen Lasche, die uns am Tage aufgefallen war. Sein Kinn war hochgerissen, und die Augen starrten mit fürchterlichem Ausdruck gegen die Decke. Um die Stirn war sehr fest ein eigentümliches gelbes, bräunlich geflecktes Band geschlungen. Er rührte sich nicht, als wir eintraten, und gab auch keinen Laut von sich.
      »Das Band! Das gefleckte Band!« flüsterte Holmes.
      Ich trat einen Schritt vor. Im selben Moment bewegte sich der seltsame Kopfputz, und aus des Mannes Haar stieg der flache, rautenförmige Kopf und der geblähte Hals einer widerwärtigen Schlange.
      »Es ist eine Sumpfotter!« schrie Holmes. »Die giftigste Schlange Indiens. Er ist innerhalb zehn Sekunden nach dem Biß gestorben. Gewalt fällt auf den zurück, der Gewalt anwendet, und der Ränkeschmied fällt in die Grube, die er dem anderen gegraben hat. Wir wollen die Kreatur in ihre Höhle zurückwerfen, und dann können wir Miss Stoner an einen Ort bringen, wo sie in Sicherheit sein wird. Anschließend lassen wir die Polizei wissen, was sich zugetragen hat.«
      Während er sprach, nahm er die Hundepeitsche mit einer schnellen Bewegung vom Schoß des Toten, warf dem Reptil die Schlinge um den Hals, zog es so von seinem fürchterlichen Platz, warf es, wobei er es auf Armeslänge von sich hielt, in den eisernen Safe und schlug hinter ihm die Tür zu.

    Das sind die wirklichen Geschehnisse um den Tod des Dr. Grimesby Roylott of Stoke Moran. Ich brauche die ohnehin über Gebühr in die Länge gezogene Erzählung nicht dadurch weiter hinzuziehen, daß ich berichte, wie wir der verschreckten jungen Frau die traurige Neuigkeit beibrachten, wie wir sie mit dem Morgenzug der Obhut ihrer gütigen Tante in Harrow übergaben und wie das Untersuchungsgericht nach schleppendem Verlauf zu dem Ergebnis kam, der Doktor habe sein Ende durch unvorsichtiges Spielen mit einem gefährlichen Haustier gefunden. Das Wenige, das es für mich noch aus dem Fall zu lernen gab, faßte Holmes zusammen, als wir am nächsten Tag zurückfuhren.
      »Ich war«, sagte er, »zu völlig irrigen Schlußfolgerungen gekommen, was zeigt, mein lieber Watson,

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