Die Abenteuer des Sherlock Holmes
und eine Flasche Sodawasser 2 befanden. Dann stand er vor dem Kamin und musterte mich in seiner merkwürdig eindringlichen Weise.
»Der Ehestand bekommt Ihnen gut«, bemerkte er. »Ich glaube, Sie haben siebeneinhalb Pfund zugenommen, seit ich Sie zuletzt gesehen habe, Watson.«
»Sieben«, gab ich zurück.
»So? Ich hätte gedacht, es wäre ein wenig mehr. Natürlich nur ein kleines bißchen mehr, schätze ich, Watson. Und Sie praktizieren wieder, wie ich sehe. Sie haben mir doch gar nichts davon erzählt, daß Sie wieder in die Sielen steigen wollten.«
»Woher wissen Sie es dann?«
»Ich sehe es, ich deduziere es. Woher weiß ich denn wohl, daß Sie vor kurzem sehr naß geworden sind und daß Sie ein sehr ungeschicktes und unaufmerksames Dienstmädchen haben?«
»Mein lieber Holmes«, sagte ich, »das ist mir zu hoch. Wenn Sie vor ein paar Jahrhunderten gelebt hätten, wären Sie bestimmt verbrannt worden. Ich habe zwar am Donnerstag einen Spaziergang über Land gemacht und schlimm ausgesehen, als ich nach Hause kam; da ich aber meine Kleidung gewechselt habe, weiß ich wirklich nicht, wie Sie das deduziert haben. Was Mary Jane angeht, die ist unverbesserlich, und meine Frau hat ihr gekündigt; aber auch hier begreife ich nicht, wie Sie dahintergekommen sind.«
Er lachte in sich hinein und rieb seine langen, nervigen Hände.
»Nichts einfacher als das«, sagte er; »meine Augen sagen mir, daß auf der Innenseite Ihres linken Schuhs, gerade dort, wo das Licht des Feuers hinfallt, das Leder von sechs fast parallelen Streifen markiert ist. Offensichtlich stammen sie daher, daß jemand um die Kanten der Sohle herum gekratzt hat, um verkrusteten Lehm zu entfernen. Daher also meine doppelte Deduktion, daß Sie bei üblem Wetter unterwegs gewesen sind, und. daß Sie es mit einem besonders schlimmen schuhschänderischen Exemplar der Gattung Londoner Kratzbürste zu tun haben. Was Ihr Praktizieren angeht – wenn ein Gentleman meine Räumlichkeiten betritt, nach Jodoform riecht, am rechten Zeigefinger einen schwarzen Silbernitratfleck hat und eine Ausbuchtung an der Seite seines Zylinders mir zeigt, wo er sein Stethoskop versteckt, dann müßte ich wirklich stumpfsinnig sein, wenn ich ihn nicht zum aktiven Mitglied der ärztlichen Zunft erklärte.«
Die Mühelosigkeit, mit der er seinen Deduktionsprozeß erläuterte, brachte mich zum Lachen. »Wenn ich höre, wie Sie Ihre Gründe anführen«, bemerkte ich, »scheint mir die Sache immer so lächerlich einfach, daß ich es leicht selbst machen könnte, und trotzdem bin ich bei jedem neuen Beweis Ihrer Denkprozesse wieder verblüfft, bis Sie mir die Einzelschritte erklären. Und bei alledem glaube ich immer noch, daß meine Augen ebenso gut sind wie Ihre.«
»Sicher sind sie es«, antwortete er; er zündete eine Zigarette an und warf sich in einen Lehnsessel. »Sie sehen, aber Sie beobachten nicht. Der Unterschied ist klar. Zum Beispiel haben Sie doch die Stufen, die von der Diele zu diesem Raum heraufführen, häufig gesehen.«
»Oft.«
»Wie oft?«
»Also, einige hundert Mal.«
»Und wie viele sind es?«
»Wie viele! Das weiß ich nicht.«
»Sehen Sie? Sie haben nicht beobachtet. Und trotzdem haben Sie gesehen. Darauf wollte ich hinaus. Nun, ich dagegen weiß, daß es siebzehn Stufen sind, weil ich sie sowohl gesehen als auch beobachtet habe. Übrigens: Da Sie sich für diese kleinen Probleme interessieren und da Sie so freundlich waren, eine oder zwei von meinen nebensächlichen Erfahrungen aufzuzeichnen, könnte es sein, daß das hier Sie interessiert.« Er warf mir ein Blatt dicken, rosafarbenen Briefpapiers zu, das offen auf dem Tisch gelegen hatte. »Das ist mit der letzten Post gekommen«, sagte er. »Lesen Sie es laut.«
Die Note trug weder Datum noch Unterschrift, noch Adresse.
»›Heute abend um Viertel nach acht wird ein Gentleman Sie aufsuchen, der Sie in einer Angelegenheit von allergrößter Bedeutung zu konsultieren wünscht. Ihre jüngsten Dienste an einem der Königshäuser Europas haben gezeigt, daß Ihnen unbesorgt Angelegenheiten anvertraut werden können, deren Bedeutsamkeit kaum zu übertreiben ist. Diese Einschätzung Ihrer Person haben wir allenthalben vorgefunden. Seien Sie also zur genannten Stunde in Ihren Räumen, und nehmen Sie keinen Anstoß daran, daß Ihr Besucher möglicherweise eine Maske trägt 3 .‹ – Das ist wirklich mysteriös«, bemerkte ich. »Haben Sie eine Vorstellung davon, was es bedeuten könnte?«
»Ich
Weitere Kostenlose Bücher