Die Achse Des Blöden
interessiert zuhört, während der Kandidat sein Programm für das Gesundheitswesen, für die Kinderbetreuung, für die Schweinemast und für die Rasenpflege darlegt - oder sonstwas für die Anwesenden offenbar brennend Interessantes. Das wäre schon trostlos genug, aber die
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Wirklichkeit ist noch viel, viel schlimmer. In Wirklichkeit besteht der größte Teil des Wahlkampfs nämlich daraus, daß der Kandidat jedes Kaff abklappert, jede noch so piefige
Veranstaltung mitnimmt und verzweifelt versucht, irgendwo ein paar Leute zu finden, die ihm überhaupt zuhören.
Da fällt mir ein kalter, grauer Januarnachmittag im New Hampshire des Jahres 1984 ein, als ich über die Kampagne des Präsidentschaftskandidaten Reubin Askew berichtete. Einsam und verzweifelt zog er durch ein Einkaufszentrum und suchte jemanden, irgendjemanden, dem er die Hand schütteln konnte.
Für diejenigen unter Ihnen, die mit dem Who is Who der Politik nicht so vertraut sind: Reubin Askew war mal Gouverneur von Florida und galt als ein intelligenter, kompetenter und vernünftiger Mann. Bevor er beschloß, Präsident zu werden.
(Warum schließlich nicht? Jimmy Carter hatte es ja auch getan.) Also fuhr Reubin nach New Hampshire und hoffte, das
Wahlvolk zu begeistern. Als ich ihn traf, wanderte er ziellos durch das Einkaufszentrum, während seine Wahlhelfer Jagd auf Leute machten, die sich eventuell von ihm begeistern lassen wollten. Sie sprachen eine gehetzte Frau mit drei kleinen Kindern und fünf großen Einkaufstüten an und fragten:
»Möchten Sie gern Reubin Askew kennenlernen? Er ist
Präsidentschaftskandidat!« Sie gestikulierten zu Reubin rüber, der sich etwas im Hintergrund hielt und versuchte, präsidial zu wirken, so als erwarte er jeden Moment den ägyptischen Staatspräsidenten, um mit ihm ein paar weltpolitische Fragen zu erörtern. Nach einer quälenden und unendlich peinlichen Pause schüttelte die Frau - die, wie die meisten Einwohner von New Hampshire, Präsidentschaftskandidaten aufregend fand wie Streusalz im Winter - den Kopf und ging weiter, während sich die Wahlhelfer auf die Jagd nach dem nächsten
begeisterungsfähigen Wähler machten.
1984 war überhaupt ein Superjahr
für
Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, die kaum eine
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Chance hatten, von Nicht-Familienmitgliedern gewählt zu werden. Unter den Blindgängern, die sich in New Hampshire die Füße platt liefen und nach Wählern Ausschau hielten, denen sie ihre Visionen nahebringen konnten, waren: - Senator Ernst
»Fritz« Hollings aus North oder South
Carolina, dessen herausragende Eigenschaft eine Stimme war, die genauso klang wie der berühmte Comic-Hahn der Warner Brothers. Wenn Fritz bei Kandidatendebatten seine
Überlegungen für einen ausgeglichenen Bundeshaushalt
darlegte, konnte man einfach nicht zuhören, weil man jeden Moment den Angriff des großen, scharfen Comic-Hofhundes erwartete, der erst im letzten Moment von seiner Kette zurückgehalten und dem Fritz dann einen großen, dicken Comic-Baseballschläger über den Schädel ziehen würde.
- Reverend Jesse Jackson, der für große Redegewandtheit bekannt war und riesige Menschenmengen anzog. Wenn man seine Reden jedoch gründlicher analysierte, merkte man schnell, daß sie nicht viel Sinn ergaben. Man ging hin, um ihn reden zu hören, und man dachte: »Wow!« Später las man dann die
Notizen durch, die man sich während der Rede gemacht hatte, und stellte fest, daß all die brillanten, mitreißenden Sätze offenbar aus dem Reimlexikon Der Großen Worte stammten.
(»Die Revolution der Institution hängt von der Evolution der Konstitution ab!«)
- Senator Alan Cranston aus Kalifornien, der mehr
Ähnlichkeit mit einer Leiche hatte als mancher
Friedhofsbewohner und sich einen jugendlicheren Look geben wollte, indem er sich die wenigen Haare rot färbte.
- Senator John Glenn aus Ohio, ein wahrer Held der
amerikanischen Raumfahrt, dessen rhetorische Fähigkeiten allerdings an einen Pumpenmotor erinnerten. Seine Reden wurden immer wieder unterbrochen, weil Zuhörer ohnmächtig wurden und krachend zu Boden gingen.
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- George McGovern, der schon in der Kampagne von 1972
bewiesen hatte, daß er Wähler aus allen Schichten ansprechen kann, vorausgesetzt sie wohnen in Boston oder einem Vorort von Boston.
- Ein Mann namens Vance Hartke.
Der am heißesten gehandelte Name der Demokratischen
Partei war 1984 der von Senator Gary Hart aus Colorado, der plötzlich aus dem
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