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Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Titel: Die Adler von Lübeck: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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den Münzen, biss auf jedes Stück und tanzte aus der Kanzlei. Die meisten waren ergriffen, denn wenn auch keiner ermessen konnte, wie sehr das Geld sein künftiges Leben verändern würde, so spürte jeder, dass dieser Tag das Ende seiner alten Existenz markierte. Mehr als einmal musste sich Theuerkauff vor handgreiflichen Dankesbezeugungen in Sicherheit bringen. Nur bei zweien, denen die frisch geschrubbte Sauberkeit aus allen Poren stach, willigte er in eine Umarmung ein. Bei Eugenie tat er es auch, denn sie war nur durch den Umweg über die Witwe an ihr Geld gekommen. Eugenie schämte sich, dass es dem Reeder Schnabel gelungen war, sie betrunken zu machen, bis sie das Bewusstsein verloren hatte. Dass er ihr den Schuldschein entwendet hatte, beschämte sie am meisten, denn sie wusste, wo sie den Schein aufbewahrt hatte.
    Die Lübecker Wirte sahen dem weiteren Verlauf des Freitags mit gemischten Gefühlen entgegen. Einerseits freuten sie sich darüber, dass frisches Geld in Umlauf war – und dass es Menschen gehörte, die es nicht in ihrer Matratze verstecken würden, weil sie keine Matratze besaßen. Andererseits wussten die Wirte aus Erfahrung, wohin es führen konnte, wenn Stadtstreicher über die Stränge schlugen.
    Fein raus war nur der Gastwirt Deichmann, er hatte alle Stadtstreicher davon in Kenntnis gesetzt, dass sie bei ihm heute Abend vor verschlossenen Türen stehen würden, weil sich eine geschlossene Gesellschaft angesagt habe.
    Trine Deichmann hatte zehn Minuten bohren müssen, bevor sie den Grund für die Lüge aus ihrem Joseph herausgekitzelt hatte.
    »Ich würde das nicht aushalten«, gestand er peinlich berührt. »Ich kann nicht ausschließen, dass ich vor Rührung ein bis zwei Tränen vergießen würde. Das möchte ich uns allen ersparen.«
    Sie fiel ihm um den Hals und sagte gerührt: »Du hast Gefühle! Ich habe es ja gewusst. Mein Mann hat Gefühle.«
    Wäre sie nicht so gerührt gewesen, hätte sie vielleicht einen prüfenden Blick in Josephs Gesicht geworfen. Das Lächeln, das sich während der Umarmung auf ihm abzeichnete, hätte die erfahrene Ehefrau in Alarmstimmung versetzt.

     
    H

     
    In Alarmstimmung wurde Trine wenig später von Anna Rosländers Gesicht versetzt, als sie an der Seite Hedwig Wittmers der Witwe einen Besuch abstattete. Die hatte sich von dem Schock noch nicht erholt, den ihr der wahnsinnig gewordene Reeder Schnabel versetzt hatte.
    »Ist es denn wahr?«, fragte Hedwig beklommen .
    Annas Hand massakrierte das Spitzentuch.
    »Er ist abgereist, vor vier Tagen schon«, antwortete sie mit leiser Stimme, die sehr schwach klang. »Er hat sich nicht verabschiedet. Ich habe nicht mehr mit ihm geredet. Aber ich denke, das ist die Antwort auf die Frage, die ich ihm nicht mehr stellen konnte. Was meint Ihr?«
    Beide Besucherinnen nickten. Jede für sich und gemeinsam hatten sie ihre Beziehungen spielen lassen. Seitdem durch Schnabels lautstarkes Geständnis die Wahrheit in der Welt war, war es leichter geworden, Antworten zu erhalten. Leonhard Ivanauskas war die Geheimwaffe im Kampf der Lübecker Kaufleute gegen Anna Rosländer. Die beste, geschickteste und gemeinste Waffe. Ihn hatten sie nicht geschickt, um die Werft oder Zeichnungen oder Beschäftigte auf ihre Seite zu ziehen. Ihn hatten sie geschickt, um Annas Herz zu brechen. Und um sie vorher auszuhorchen.
    »Ich denke, ihm ist beides zufriedenstellend gelungen«, sagte Anna Rosländer. Trine wäre wohler gewesen, wenn sie lauter gesprochen hätte. Anna hatte Ivanauskas ihre Gedanken anvertraut, einiges hatten auch andere Personen erfahren. Aber viel war nur in seine Ohren gedrungen. Dass es von dort zügig den Weg in die Ohren seiner Auftraggeber gefunden hatte, durfte unterstellt werden.
    »Sie wussten, was ich vorhabe«, murmelte Anna.
    »Aber am Ende habt Ihr trotzdem gewonnen«, sagte Trine aufmunternd.
    »Nur, weil mein Mann seinen seltsamen Humor ausleben musste. Schuldscheine! Wie kann man nur auf diesen Gedanken kommen? Ich meine nicht das Leihen an sich. Aber hätten die Schuldscheine die wahren Namen getragen, hätten wir nie von ihnen erfahren, denn ich bin jetzt sicher, dass der Einbruch den Scheinen gegolten hat. Jemand wollte sie haben, weil er wusste, dass es sie gibt. Und als er sie hatte, hätte es nahegelegen , sie ins Feuer zu werfen. Ich werde nie begreifen, warum er sie stattdessen den Stadtstreichern gegeben hat. Ich werde nie begreifen, wer zu so etwas fähig ist. Ihr etwa?«
    Trine Deichmann

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