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Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Titel: Die Adler von Lübeck: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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werde sie nie vergessen.
    Nun erhielt auch Trine einen Stoß in die Rippen. Eine amüsierte Hedwig Wittmer flüsterte: »Sie baut das Schiff mit dem Geld der Lübecker Kaufleute. Es ist lange her, dass ich etwas komischer gefunden habe.«

     
    H

     
    »Wie geht es unserem Patienten?«, fragte der Medicus .
    Die alte Schlüter blickte ihn an, wie sie immer guckte: mürrisch und misstrauisch.
    »Geht soweit«, knurrte sie. »Er hat Schmerzen, das hat er verdient.«
    »Aber Ihr tut alles, damit die Schmerzen bald aufhören.«
    »Wenn Ihr meint …«
    »Ihr wisst, dass wir unsere Gefühle aus unserer Arbeit heraushalten müssen.«
    »Wenn Ihr meint …«
    Aufatmend sah er der davonschlurfenden Frau nach. Jedes Mal, wenn er sie traf, fühlte er sich wie ein Schüler.
    Der Reeder Schnabel hatte mehrere gebrochene Rippen davongetragen, auf der rechten Körperseite war die durch den Schwertstich abgetrennte Haut fest angedrückt und mit einem Verband fixiert worden. Schnabel hatte Blutergüsse und zahllose Schrammen. Gegen die Schmerzen gab man ihm beruhigende Tees. Er schlief viel, wenn er wach wurde, jammerte er. Dann gab man ihm neuen Tee.
    »Wie geht es ihm?«, fragte Trine Deichmann, als sie nachmittags vorbeischaute.
    »Ist der Patient etwa guter Hoffnung?«, entgegnete der Medicus pampig.
    »Wäre er mit Euch schwanger, würde er sich fragen, wozu das Ungemach gut sein soll.«
    Der Medicus hatte die ärztlichen Künste studiert, die Schlagfertigkeit hatte nicht dazugehört.
    Trine Deichmann sah sich den Patienten an, Schnabel sah schrecklich aus. Zwar wartete auf ihn eine harte Strafe, aber einen Teil der Strafe hatte er schon erhalten. Trine würde ihm nicht offenbaren, dass seine Frau schwanger gewesen war, auch wenn sie nicht sicher war, ob ihn die Nachricht treffen würde.
    Die alte Schlüter kam herein, Trine nutzte die Gelegenheit, mit der Pflegerin zu sprechen. An einem Ort, wo sie sich zu Hause fühlte, war sie nicht so kurz angebunden wie sonst. Die Pflegerin präsentierte einige Patienten und ihre Art, Wunden zu verbinden. Trine zeigte sich beeindruckt und es fand sich ein Medicus , der wohlwollend von der Pflegerin sprach. Man kam ins Gespräch, redete über das Schiff, aber nicht über Schnabel.
    Trine Deichmann war schon im Gehen begriffen, als sie mit einem Ohr hörte, wie eine Männerstimme rief: »… vorhin doch noch da gewesen!«

55
    Eine Stunde später brach auf der Werft Feuer aus. Die Flammen zeigten sich gleichzeitig an mehreren Orten, vor allem am Schiffs-Skelett und in der Halle, wo das Holz lagerte. Es handelte sich nicht um Selbstentzündungen oder Schwelbrände, dafür schlug das Feuer zu schnell und mächtig empor. Seit der Mittagsstunde hielten sich keine Beschäftigten mehr auf dem Gelände auf, Anna Rosländer hatte allen freigegeben, um mit ihr den Tag zu feiern, an dem sich zum ersten Mal ein Teil der Bevölkerung hinter sie gestellt hatte. Eine Wache, die rund um die Uhr auf dem Gelände stationiert war, kämpfte mit Wasser und Decken gegen einen der Brandherde, hatte aber keine Chance.
    Als Helfer eintrafen, stand die Werft in Flammen. Die Helfer wussten, wann es sinnlos war, Löschversuche zu unternehmen. Sie beschränkten sich darauf, die großen Hütten am Rand des Werftgeländes zu schützen. Es gelang ihnen, aber neun Zehntel der Werft verbrannten zu Asche. Noch während das Feuer tobte, fand man die Leiche, nicht weit von ihr entfernt die kleinen Fässer mit hochprozentigem Branntwein, mit denen die Flammen gefüttert worden waren. Die Haut des Reeders Schnabel war nicht mehr vorhanden, ein Gesicht gab es auch nicht mehr. Aber seinen Verband gab es noch, er war das Einzige, das an dem verbrannten Körper erstaunlich intakt war.
    Beim Löschen taten sich besonders die Uelzer hervor, sie hatten Ketten gebildet, durch die Wassereimer hin und herliefen. Die Eimer waren schwer, aber die Arbeiter hielten ihre Geschwindigkeit bei, stundenlang. Einige hörte man rufen: »Was für ein Spaß zu löschen, wenn man ein Meer zur Verfügung hat!«
    »Sie sind wahnsinnig«, murmelte Joseph Deichmann. »Ich habe es immer gewusst. Man kommt nicht heil aus diesem Ort heraus.«
    Drei Stunden raste das Feuer, bis es sich erschöpft hatte, weil es kein Futter mehr fand. Als die Hütten nicht mehr geschützt werden mussten, warfen die Uelzer die Eimer in die Flammen. Zwei von ihnen halfen Querner , seine Unterlagen auf einen Karren zu laden. Das Bureau gab es nicht mehr, aber jedes Blatt Papier

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