Die Ajima-Verschwörung
schwere See, kämpfte sich über die Wellenkämme, die sie immer wieder zu verschlingen drohten, bevor sie auf der anderen Seite hinunterstürzte. Der große Volvoschiffsmotor grummelte ohne Aussetzer, während sie mit achtern einfallendem Wind und auflaufender See auf den Autofrachter zuhielten.
Als sie noch etwa hundert Meter von der
Divine Star
entfernt waren, entdeckten sie, daß sie nicht allein waren. Ein Haifischschwarm umkreiste das zur Seite geneigte Schiff, als verrate den Fischen eine Art siebter Sinn, daß die
Divine
sinken würde und möglicherweise ein paar leckere Happen dabei für sie abfielen.
Der Matrose am Ruder ließ das Boot unter das gedrungene Heck an Lee gleiten. Die Männer hatten das Gefühl, als würde die
Divine Star
sie jeden Augenblick unter sich begraben, wenn die Wellen sich an ihrem Rumpf brachen. Als das große Schiff sich senkte, schleuderte Steen eine dünne Nylonstrickleiter, an deren Ende ein Aluminiumhaken befestigt war, nach oben. Beim dritten Versuch verfing sich der Enterhaken am oberen Ende des Schanzkleids.
Steen kletterte als erster die Strickleiter hoch über die Reling, gefolgt von Andersson und den anderen Männern. Sie sammelten sich neben den riesigen Ankerwinden und erstiegen eine Art Feuerleiter, vorbei am fensterlosen vorderen Schott.
Nachdem sie fünf Decks hochgeklettert waren, gelangten sie auf die weiträumigste Brücke, die Steen in den fünfzehn Jahren, die er zur See ging, gesehen hatte.
Verglichen mit dem kleinen, rationell eingerichteten Brückenhaus der
Narvik
wirkte dies hier wie ein Ballsaal, und das eindrucksvolle elektronische Instrumentarium füllte nur einen kleinen Teil in der Mitte des Raumes aus.
Hier befand sich kein Mensch, doch die Brücke war mit Karten, Sextanten und anderen Navigationsgeräten übersät, die aus den offenen Schränken gefallen waren. Zwei Mappen lagen offen auf einem Tisch, so als hätten ihre Eigentümer nur mal eben kurz die Brücke verlassen. Alles sah nach einer panischen Flucht aus.
Steen inspizierte die Hauptkonsole. »Vollautomatisch«, bemerkte er zu Andersson gewandt.
Der Zweite Ingenieur nickte. »Und nicht nur das. Die Kontrollinstrumente werden akustisch gesteuert. Da braucht man weder Hebel umzulegen noch dem Steuermann Kursbefehle zu geben.«
Steen drehte sich zu Sakagawa um. »Können Sie das Ding hier in Gang kriegen und ihm Befehle geben?«
Der in Norwegen geborene Asiate beugte sich über die Computerkonsole und studierte sie ein paar Sekunden lang.
Dann drückte er nacheinander schnell auf ein paar Knöpfe. Die Lichter auf der Konsole blinkten auf, und das Gerät gab ein summendes Geräusch von sich. Mit dünnem Lächeln sah Sakagawa Steen an. »Mein Japanisch ist zwar eingerostet, aber ich glaube, ich kann damit kommunizieren.«
»Erfragen Sie den Status des Schiffes.«
Sakagawa murmelte etwas auf japanisch in den kleinen Empfänger und wartete gespannt. Einen Augenblick später antwortete eine Männerstimme, langsam und sehr betont. Als sie verstummte, starrte Sakagawa Steen verblüfft an.
»Die Stimme sagt, die Ventile sind offen und der Wasserspiegel im Maschinenraum erreicht mittlerweile zwei Meter.«
»Befehlen Sie, die Ventile zu schließen!« fuhr Steen ihn an.
Nach einem kurzen Wortwechsel schüttelte Sakagawa den Kopf. »Der Computer behauptet, die Ventile seien blockiert. Sie könnten elektronisch nicht geschlossen werden.«
»Damit wäre wohl klar, was ich zu tun habe«, meinte Andersson. »Ich gehe besser mal runter und sehe zu, ob ich sie schließen kann. Und befehlen Sie diesem verdammten Roboter, er soll die Pumpen anwerfen.« Während er sprach, gab er zweien der Matrosen einen Wink, ihm zu folgen, und sie eilten über einen Niedergang, so schnell sie konnten, in den Maschinenraum.
Einer der zurückgebliebenen Matrosen kam auf Steen zu, leichenblaß und mit weit aufgerissenen Augen. »Sir… ich habe eine Leiche gefunden. Ich glaube, es ist der Funker.«
Steen eilte in die Funkkabine. Eine beinahe konturlose Leiche hing auf einem Stuhl sitzend über dem Funkgerät. Es mochte sich einmal um einen Menschen gehandelt haben, als er an Bord der
Divine Star
gekommen war jetzt war er keiner mehr. Er hatte keine Haare, und wären da nicht die entblößten Zähne gewesen, hätte Steen unmöglich sagen können, ob er das Gesicht oder den Hinterkopf vor sich hatte. Dies entsetzliche Monstrum sah aus, als sei die Haut in Blasen aufgelöst, das darunterliegende Fleisch verbrannt und
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