Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
männlich; er redete uns mit jener ernsten Höflichkeit an, die man bei dem niedrigsten Spanier bemerkt. Wir waren in einer für solchen Besucher günstigen Stimmung, und gaben ihm in einem Anfall launenhafter Milde etwas Silber, ein schönes Waizenbrod und einen Becher von unserm trefflichen Malagawein. Er nahm dieß erkenntlich an, doch ohne den kriechenden Tribut der Dankbarkeit. Als er den Wein versucht hatte, hielt er ihn, mit einem leichten Strahl des Erstaunens in seinem Auge, gegen das Licht; dann leerte er den Becher auf einen Zug. »Es sind viele Jahre,« sagte er, »daß ich solchen Wein nicht gekostet habe. Er thut dem Herzen eines alten Mannes wohl.« Und dann auf das schöne Waizenbrod schauend:
»Bendito sea tal pan«
(gesegnet sey solches Brod). Bei diesen Worten steckte er es in seine Tasche. Wir drangen in ihn, es sogleich zu essen. »Nein, Sennores,« sagte er, »den Wein mußte ich trinken, oder hier lassen; aber das Brod muß ich für meine Familie mit nach Hause nehmen.«
Unser Freund Sancho suchte unser Auge, und da er darin die Erlaubniß las, gab er dem Alten etwas von den reichen Resten unsers Mahls, jedoch unter der Bedingung, daß er sich niedersetze und esse.
Er nahm also seinen Sitz in einiger Entfernung von uns, und begann langsam und mit einer Nüchternheit und einem Anstand zu essen, der einem Hidalgo Ehre gemacht hätte. Es war etwas Gemessenes, eine ruhige Selbstbeherrschung in dem alten Mann, die mich glauben ließ, er habe bessere Tage gesehen. Auch seine Sprache hatte, obschon sie einfach war, gelegentlich etwas malerisches und fast poetisches in der Ausdrucksweise. Ich hielt ihn für einen herabgekommenen Adligen. Ich irrte mich; es war nichts als die angeborne Sittenfeinheit des Spaniers, und die poetische Wendung der Gedanken und Worte, wie man sie oft in den niedrigsten Klassen dieses geistvollen Volkes findet. Fünfzig Jahre, sagte er uns, sey er ein Schäfer gewesen, doch jetzt sey er ohne Beschäftigung und verlassen. »Als ich jung war,« sagte er, »konnte mich nichts grämen oder beunruhigen; ich war stets gesund, stets heiter; aber jetzt bin ich 79 Jahre alt und ein Bettler, und mein Muth fängt an mich zu verlassen.«
Doch war er noch kein eigentlicher Bettler; erst neuerlich hatte ihn der Mangel zu dieser Erniedrigung getrieben; er gab uns ein rührendes Gemälde von dem Kampf zwischen Hunger und Stolz, als die äußerste Noth über ihn kam. Er kehrte von Malaga ohne Geld zurück; er hatte eine Zeit lang nichts gegessen, und mußte eine der größten Ebenen Spaniens, wo sich nur wenige Wohnungen finden, durchwandern. Als er vor Hunger fast verging, hielt er an der Thüre einer Venta (Wirthshaus auf dem Lande) an.
»Perdon usted por Dios, hermano«
(entschuldigt uns um Gottes willen, Bruder), war die Antwort – in Spanien die gewöhnliche Art, einen Bettler abzuweisen. »Ich wandte mich,« sagte er, »hinweg, meine Scham war größer als mein Hunger, denn mein Herz war noch zu stolz. Ich kam an einen Fluß mit hohen Ufern und tiefer, rascher Strömung, und fühlte mich versucht, hinein zu stürzen. Wozu soll, sagte ich mir, ein solcher alter, unnützer, unglücklicher Mann, wie ich bin, leben? Als ich aber an dem Rande des Ufers war, gedachte ich der gebenedeiten Jungfrau und wandte mich ab. Ich reiste weiter, bis ich in einiger Entfernung von der Straße einen Landsitz sah. Ich trat an das äußere Thor des Hofes. Die Thüre war verschlossen, aber an einem Fenster waren zwei junge Sennora’s. Ich näherte mich und bettelte:
Perdon usted con Dios, hermano«
(entschuldigt uns um Gottes willen, Bruder), und das Fenster schloß sich. Ich kroch aus dem Hofe, aber der Hunger übermannte mich und meine Kraft brach. Ich glaubte, meine letzte Stunde sey gekommen, legte mich drum an dem Thore nieder, empfahl mich der heiligen Jungfrau und verhüllte mein Haupt, um zu sterben. Nach einer Weile kehrte der Herr des Hauses zurück; da er mich an seinem Thore liegen sah, enthüllte er mein Haupt, fühlte Mitleid mit meinem grauen Haare, nahm mich in sein Haus und gab mir zu essen. So sehen Sie, Sennores, daß man stets Vertrauen in den Schutz der Jungfrau setzen sollte.«
Der alte Mann war auf dem Weg zu seinem Geburtsort, Archidona, das ganz nahe, auf dem Gipfel eines steilen und rauhen Berges lag. Er zeigte auf die Ruinen eines alten maurischen Schlosses. »Dieses Schloß,« sagte er, »wurde zur Zeit der Kriege von Granada von einem maurischen König bewohnt. Die Königin
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