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Die amerikanische Nacht

Die amerikanische Nacht

Titel: Die amerikanische Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisha Pessl
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nicht vom Fleck«, hatte Birdie gesagt.
    Genau
so
hatte ich es gemacht.
Dieses Wrack wollte unter Wasser bleiben.
    Ich schüttete den Rest Scotch herunter und wollte gerade zurück zur Bar, als ich mein BlackBerry vibrieren spürte.
    Ich schlüpfte durch die Tür hinter mir auf den Treppenabsatz im ersten Stock. Es war eine Nachricht von meinem alten Anwalt, Stu Laughton. Ich hatte mindestens sechs Monate nichts von Stu gehört.
    Cordovas Tochter wurde heute tot aufgefunden.
    Ruf mich an.
    Ich schloss die Nachricht, googelte
Cordova
und scrollte durch die Suchergebnisse.
    Es stimmte.
Und in nicht wenigen Artikeln tauchte
mein
Name auf.
    »Der in Ungnade gefallene Journalist Scott McGrath …«
    Ich würde gebrandmarkt sein und mit Fragen bombardiert werden, sobald diese Nachricht auf der Party kursierte.
    Mit einem Mal war ich nüchtern. Ich glitt durch die Menge die Marmortreppe hinab. Niemand sagte ein Wort, als ich meinen Mantel schnappte, an der Bronzebüste der Gastgeberin vorbeiging (die, in schamloser Ausnutzung der künstlerischen Freiheit, Elizabeth Taylor ähnelte) und durch die Haustür die Treppen des Stadthauses hinunter auf die East 94 th Street trat. Ich ging in Richtung Fifth und sog die feuchte Oktoberluft ein. Ich hielt ein Taxi an, um mich nach Hause fahren zu lassen, und stieg ein.
    »West Fourth und Perry.«
    Wir fuhren los. Ich rollte das Fenster herunter und spürte, wie die neue Situation langsam bei mir ankam und sich mein Magen zusammenzog:
Cordovas Tochter wurde tot aufgefunden.
Wie ging noch das ungefilterte Zitat, mit dem ich im landesweit ausgestrahlten Fernsehen herausgeplatzt war?
    Cordova ist ein Raubtier, in einer Liga mit Manson, Jim Jones, Colonel Kurtz. Ich habe einen Insider-Informanten, der jahrelang für die Familie gearbeitet hat. Jemand muss diesen Kerl auslöschen.
    Dieser geniale Leckerbissen hatte mich meine Karriere gekostet, meinen Ruf – ganz zu schweigen von einer Viertelmillion Dollar –, aber dennoch war es wahr.
Auch wenn ich besser nicht von Charles Manson gesprochen hätte.
    Ich musste über mich selbst lachen, weil ich mich wieder wie ein Flüchtling fühlte – oder vielleicht war
meistgesuchter
Radikaler der passendere Vergleich. Doch ich musste zugeben, es hatte etwas Elektrisierendes, den Namen
Cordova
wieder zu lesen, denn es war nicht auszuschließen, dass ich vielleicht,
nur vielleicht
wieder um mein Leben rennen musste.

2
    Zwanzig Minuten später betrat ich meine Wohnung in der 30  Perry Street.
    »Ich habe gesagt, dass ich um
neun
weg muss«, vermeldete eine Stimme hinter mir, als ich die Tür schloss. »Es ist nach eins. Was zum
Teufel …

    Sie hieß Jeannie, aber kein vernünftiger Mann würde sie bezaubernd finden.
    Meine Exfrau hatte mich in einer Art achtzehn Jahre dauernden Zwei-zum-Preis-von-einer-Aktion dazu verdonnert, an den beiden Wochenenden im Monat, an denen ich Besuchsrecht für meine fünfjährige Tochter Samantha hatte, auch das Sorgerecht für Jeannie zu übernehmen. Sie war eine einundzwanzigjährige Yale-Absolventin, die an der Columbia University Erziehungswissenschaften studierte und die ihre Machtposition sichtlich genoss, sich als Sams Leibwächterin, persönliche Eskorte und
Blackwater Einsatzkommando
aufzuspielen, wenn Sam sich in meine gefährliche Obhut wagte. In dieser Gleichung war ich der instabile Drittweltstaat mit korrupter Regierung, minderwertiger Infrastruktur, Unruhen durch Aufständische und einer Wirtschaft im freien Fall.
    »Tut mir leid«, sagte ich und warf mein Sakko über den Stuhl. »Ich habe nicht gemerkt, wie spät es ist. Wo ist Sam?«
    »Schläft.«
    »Hast du ihren Wolkenschlafanzug gefunden?«
    »Nein. Ich war vor
vier Stunden
zu einer Lerngruppe verabredet.«
    »Ich zahl dir das Doppelte, dann kannst du einen Tutor engagieren.« Ich holte meine Brieftasche heraus und gab Jeannie ungefähr fünfhundert Dollar, die sie freudig in ihrem Rucksack verstaute. Dann ging ich demonstrativ um sie herum und den Flur entlang.
    »Ach, noch was, Mr McGrath. Cynthia wollte wissen, ob sie das nächste Wochenende mit Ihnen tauschen könnte.«
    Ich hielt vor der geschlossenen Tür am Ende des Flurs an und drehte mich um.
    »Wieso?«
    »Sie und Bruce fahren nach Santa Barbara.«
    »
Nein

    »
Nein?
«
    »Ich hab was vor. Wir bleiben bei unserem Zeitplan.«
    »Aber sie haben schon gebucht.«
    »Sie können ja stornieren.«
    Jeannie öffnete den Mund, um zu protestieren, aber klappte ihn wieder zu – sie

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