Die Anderen - Das Erbe erwacht (German Edition)
Der alte Dämon war verletzt!
Russell hielt überrascht den Atem an und schnupperte erneut ungläubig. Nein, kein Zweifel. Dunkelrotes Blut tropfte aus einer Schnittverletzung am Hals und eine weitere Wunde zog sich über die muskulöse Brust. Auch an der Schulter schien Dave verletzt zu sein.
„Dave?“, fragte Russel erschrocken nach und kam ächzend auf die Beine. „Was ist passiert?“
Dave antwortete nicht, hockte zusammengekauert am Boden und schaute Russell mit einem unergründlichen Blick an. Das Blut tropfte zäh aus der Halswunde, rann ihm über die Brust, doch er achtete nicht darauf.
„Bist du etwa den Jägern begegnet?“, hakte Russell nach, verwirrt, weil der andere Dämon völlig in sich gekehrt zu sein schien. Hatte der ihn überhaupt gehört? Zögernd trat er näher.„Keine Jäger!“ Ein tiefes, merkwürdiges, abgehacktes Lachen entrang sich Daves Kehle. „Nur er“, meinte er und lachte schrill auf. Belustigt sah er Russell an und kicherte. „Er ist mir passiert! Finn Gordon. Er hat sich ein bisschen zur Wehr gesetzt!“ Das Lachen klang gequälter und er hustete mehrfach würgend.
Russell blickt ihn besorgt an.
„Ein bisschen? Dave, du blutest! Und diese Wunde da am Hals? Etwas tiefer und du würdest hier nicht mehr sitzen“, empörte sich Russell. „Wie zur Hölle hat er das geschafft?“ Russell ahnte die Antwort. Der alte, gefürchtete Name hallte in seinem Kopf wieder. Mirjahn! Tief holte er Luft.
„Hast du ihn getötet?“ Seine Stimme klang ruhig, nur innerlich bebte er. Russell war dichter an Dave herangetreten, versucht, die Hand nach ihm auszustrecken. Doch er ließ es bleiben. Der alte Dämon schnaubte und sein Gesicht veränderte sich, wurde menschlicher. Sein Kopf zuckte hoch und er starrte Russell mehrere Minuten lang nur an. Zunehmend unruhiger bewegte sich Russell.
„Getötet?“, wiederholte Dave abwesend und schüttelte bedächtig den Kopf. „Nein.“ Russell sog scharf die Luft ein und Dave bestätigte seine Befürchtung. „Das Erbe ist erwacht, Russell. Er ist ein Mirjahn!“ Daves dämonisches Gesicht verzog sich zu einer grinsenden Fratze. „Nun wird er mich töten!“ Ein abgehaktes, knurrendes Lachen entrang sich dem alten Dämon. „Wenn ich ihn nicht vorher töte!“
Russells Herz schlug hart, kalte Furcht umklammerte es fest. Also war es soweit: der Mirjahn war zu dem geworden, wovor sie sich alle so fürchteten. Ein alter Jäger, ihr absoluter Todfeind!
Daves Lachen brach ab und er schnaufte schwer. Die Krallen fuhren unruhig über die Erde. Urplötzlich schlug er sich mit der Faust vor die Stirn.
„Es macht mich wahnsinnig! Er sollte mein Feind sein!“, schrie er so laut, dass Russell zusammenzuckte. „Aber ... ich kann ihn nicht töten!“ Daves Antlitz wandelte sich, nahm Züge seines menschlichen Gesichts an. „Er ist so begehrenswert, so wundervoll ...“, meinte er verträumt lächelnd und jagte Russell damit weit mehr Angst ein als in seiner dämonischen Erscheinung. „Diese Erinnerungen … sein duftendes Fleisch, seine köstliche Angst, sein Blut so süß. Heißer Atem auf meiner Haut, seine Hände auf mir. Will in ihm sein, will ihn zerreißen, will ihn berühren ... “, stammelte Dave, während sein Gesicht ständig zwischen seiner menschlichen und dämonischen Form wechselte.
Russell wich entsetzt vor ihm zurück. So kannte er Dave nicht, hatte ihn nie unkontrolliert, so verwirrt erlebt. Dave kauerte sich auf den Boden, schlang die kräftigen Arme um sich und stierte Russell mit glühenden Augen an.
„Ich konnte ihn nicht töten. Ich will es auch nicht ... aber er muss sterben!“, flüsterte er beschwörend. „Ich muss den Fluch lösen ... kann ihn nicht ... sterben lassen, darf ihn nicht leben lassen.“ Unverständliche Worte murmelnd wiegte er sich vor und zurück, schien Russell dabei ganz vergessen zu haben.
Dave litt Qualen. In ihm tobte der Dämon. Wütend, verängstigt, schwer verletzt. Der tagelange Kampf der widerstreitenden Gefühle in ihm drohte ihn erneut zu überwältigen. Er musste sich der bitteren Erkenntnis stellen: Finn hatte sich erfolgreich gewehrt. Seine Waffe hatte ihn verletzt, ihm tiefe Wunden geschlagen. Finn hatte gekämpft, wie es nur ein Mirjahn konnte. Vorausahnend, wie er sich bewegen würde, wissend, wie ein Dämon kämpfte, wann er verletzlich war.
Das Erbe war endgültig erwacht!
Der Schmerz pulsierte durch die offenen Wunden, war jedoch nichts im Vergleich zu dem Schmerz in Dave, der
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