Die Anderen - Das Erbe erwacht (German Edition)
brüllte Dave heraus, stieß Russell grob von sich und sprang auf die Beine. Am Boden sitzend starrte der Halbdämon fassungslos zu ihm auf. Dave musterte ihn und sein Blick wurde plötzlich sanfter.
„Egal, was mit mir passiert, verschwinde von hier Russell!“ Daves Stimme wurde leise, klang beinahe zärtlich. „Pass gut auf dich auf!“ Noch einmal glitt sein Blick über den verdutzten Russell. Menschliche Augen, die voll Trauer waren. Ein feines Lächeln umspielte Daves Mund, dann wandte er sich ab, machte zwei schnelle Schritte, sprang hoch und flog davon.
Russell sah ihm bestürzt hinterher. Es dauerte einen Moment, bis er begriff, dass Dave sich von ihm verabschiedet hatte. Endgültig. Der Dämon ging seinem unbekannten Schicksal entgegen, bereitete sich auf den finalen Kampf mit dem Mirjahn vor.
Zornig und verwirrt rappelte Russell sich auf. Das durfte er nicht zulassen. Er würde Dave nicht sterben lassen. Der Dämon hatte ihm heute das Leben gerettet und er würde nun das gleiche für ihn tun. Alleine war er schwach, viel zu schwach. Er brauchte Hilfe.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht wankte Russell los. Dave würde sich dem Mirjahn kaum in seinem jetzigen Zustand stellen, die Wunden würden heilen müssen. Das gab Russell etwas Zeit. Er brauchte neue Kleidung, er brauchte Nahrung und dann würde er zu Thubal gehen. Wenn er ihn um Hilfe bat, konnten die Anderen gemeinsam den Mirjahn töten. Der große Dämon hegte noch immer den Traum, die Dämonen zu vereinen.
Gemeinsam zu jagen lag den Dämonen nicht, doch sie hatten es bereits zuvor getan. Thubal hatte sie kurzfristig vereint, als sie den letzten Mirjahn getötet hatten. Die Anderen würden geschockt sein zu erfahren, dass die Bedrohung nicht abgewendet worden war, dass es noch einen gab. Einen, der sogar Dave verletzt hatte und ihn sicherlich töten würde, wenn der Dämon sich ihm alleine stellte. Wenn das kein Grund war, gemeinsam den letzten Mirjahn zu erlegen, welcher dann?
Dave würde nicht sterben! Nicht, wenn Russell es verhindern konnte.
Er knirschte mit den Zähnen, ignorierte den Schmerz, so gut es ging und humpelte auf den Weg am Fluss zurück, der ihn in die Stadt führte. Missmutig verzog er das Gesicht in der Parodie eines Lächelns. Es wäre viel leichter, wenn er Thubal nur anrufen könnte. Allerdings war Russell sich sicher, dass der Andere ihn kaum am Telefon anhören würde. Zudem bezweifelte er, dass dieser Dämon sich mit einer Erfindung der Menschen abgab, mochte sie noch so praktisch sein.
Seufzend und mit schmerzverzerrtem Gesicht humpelte Russell weiter. Ihm blieb nichts anderes übrig: er musste selbst zu ihm und um Hilfe bitten. Der Gedanke bereitete ihm mehr als Bauchschmerzen.
Aber definitiv würde er Dave nicht im Stich lassen!
***
Etwa zur gleichen Zeit, als sich Russell in eine leerstehende Garage schleppte, stolperte Finn in seine Wohnung. Rasch schloss er die Tür hinter sich und lehnte sich heftig atmend mit geschlossenen Augen dagegen. Er war gerannt. Er war das ganze letzte Stück hierher gerannt. Hinter seinen Augenlidern wurde die ganze Szene wieder lebendig: er hatte wahrhaftig gegen den Dämon gekämpft und ihn in die Flucht geschlagen. Er, Finn Gordon! Mit nichts weiter als einer kleinen, harmlosen Metallscheibe an einer dünnen Kette.
Finn schnaubte ungläubig und riss die Augen auf, starrte sich im Spiegel des Flurs an. Er war sich selbst unheimlich. Es war, als ob er sich dabei beobachten würde, wie er sich in einen unbekannten Supermann verwandelte.
Nein, nicht in Supermann, eher in eine Art Van Helsing. Missmutig verzog Finn das Gesicht und schnitt sich eine Grimasse. Blöder Film. Er hatte ihn nie zu Ende gesehen. Diese Art Film hatte ihn nie interessiert und nun befand er sich selbst in einem absurden Streifen.
Während sich seine Atmung langsam beruhigte, musterte er sich. Er sah nicht anders aus als zuvor. Groß, sportlich, mit einem viel zu jungenhaften Gesicht für einen erwachsenen Mann.
Finn, der Dämonenbesieger! Es wollte einfach nicht passen. Was war mit ihm los? Wieso hatte er sich dieses Mal nicht vor Angst in die Hosen gemacht? War er nicht jedes Mal vor Furcht beinahe gestorben, wenn der Dämon ihn erwischt hatte?
Die letzten Male nicht mehr wirklich, wagte sein Verstand anzumerken. Da warst du auch mit anderen … Dingen beschäftigt, murmelte die innere Stimme, sich bewusst, wie gefährlich derzeit solche Äußerungen waren. Und Angst hast du durchaus verspürt!
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