Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Augen der Medusa

Die Augen der Medusa

Titel: Die Augen der Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
Vom Netzwerk:
Banden äußerst beliebt ist. Ist der Terrorismus nun auch in der italienischen Provinz angelangt? Noch hat sich niemand zu dem Anschlag bekannt, doch …«
    »… Entsetzen, Wut und Verzweiflung schlagen uns in Pietralata entgegen. Giuseppe Jacopino hinterlässt eine junge Ehefrau und zwei Mädchen im Alter von sieben und fünf Jahren. Erst vor drei Monaten nahm er die Stelle als Fahrer bei der Staatsanwaltschaft Rom an. Hier bei mir steht Frau Rosalia D’Abruzzo, eine Nachbarin der Familie Jacopino. Frau D’Abruzzo, was für ein Mensch war Giuseppe Jacopino? ›Er kam mit allen gut aus, ein ernsthafter, eher zurückhaltender …‹ Ein allseits beliebter Nachbar also. Fühlte er sich gefährdet? Ahnte er, dass er im Visier rücksichtsloser Krimineller war? ›Ich weiß nicht, vielleicht, aber irgendwie musste er doch seine Familie ernähren‹ …«
    »… hat Innenminister De Sanctis den Hinterbliebenen Malavoglias und seines Fahrers Jacopino sein tief empfundenes Beileid ausgesprochen. Ganz Italien fühle mit ihnen. Er versprach, dass die Behörden alles daransetzen würden, dieses schreckliche Verbrechen aufzuklären und zu sühnen. Den Tätern werde es nicht gelingen, den Rechtsstaat, für den Malavoglia und Jacopino eingestanden hätten, zu unterminieren …«
    Die Dorfbewohner waren zunehmend schweigsamer geworden. Sie tranken, aßen Erdnüsse oder Kartoffelchips und ließen die Flut der Bilder und Kommentare über sich zusammenschwappen. Vielleicht hofften sie, dass sich das Geschehene so in eine der vielen Schreckensnachrichten verwandeln würde, die man jeden zweiten Abend im Telegiornale vorgesetzt bekam. Doch die Eindrücke, die sich in ihre Köpfe gebrannt hatten, wollten nicht vergehen. Im Gegenteil, je routinierter die Redakteure den Fall aufarbeiteten, desto lebendiger kehrte die Erinnerung wieder. Über den Fernsehton legte sich der von prasselnden Flammen, und über die Bilder tropfte schmutziges Löschwasser von ausgeglühtem Blech. Auf der Mattscheibe schienen leere Fensterhöhlungen auf und dahinter leblose graue Schatten, die vielleicht kurz zuvor noch Menschen gewesen waren.
    Die Sgreccias machten kurz nach 20 Uhr den Anfang. In den nächsten Stunden murmelte einer nach dem anderen einen kurzen Gruß und zog nach Hause ab. Gegen Mitternacht befand sich außer dem Wirtsehepaar nur noch Catia Vannoni in der Bar. Auch sie hatte sich zwei Mal entfernt, war aber pünktlich zur nächsten Nachrichtensendung wieder zurück gewesen. Dann hatte sie ihre Augen nicht vom Bildschirm gelöst. Es war, als wolle sie jede Einstellung speichern, jede noch so nebensächliche Information und jeden noch so gewagten Erklärungsansatz aufsaugen.
    Ivan hatte den Heizstrahler schon vor einer halben Stunde abgestellt, doch das schien Catia Vannoni gar nicht wahrgenommen zu haben. Nun hatte er genug. Er schaltete den Fernsehapparat aus, legte die Fernbedienung auf die Theke und fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen.
    »Um ein Uhr kommen Spätnachrichten auf Rai Due«, sagte Catia Vannoni.
    »Heute bringen die nichts Neues mehr«, sagte Marta Garzone.
    »Wahrscheinlich nicht«, sagte Catia.
    »Wie sollten sie auch?«, fragte Ivan. »Du glaubst doch nicht, dass irgendwer bei der Polizei um diese Uhrzeit noch arbeitet?«
    »Nein«, sagte Catia. Auf den Tischen standen Bier-und Weingläser zwischen zerknüllten Kartoffelchips-Tüten. Die Stühle waren leer. Catia starrte auf den Fernseher. Es war ein Sony mit 72-Zentimeter-Bildschirm. Er war dunkel.
    »Geh nach Hause, Catia!«, sagte Marta. »Ein wenig Schlaf können wir alle brauchen.«
    »Ja«, sagte Catia. Sie blieb sitzen. Ihre Unterarme lagen schwer auf dem Tisch. Den Anorak hatte sie den ganzen Abend nicht ausgezogen. Eigentlich hatte sie ihn schon fast den ganzen Tag an. Zumindest, seit sie mit den anderen zu Malavoglias Limousine hinausgefahren war, dort ihren Vater angebellt hatte und nur mit Mühe davon abgehalten werden konnte, sich in die Flammen zu stürzen. Marta bückte sich, holte hinter der Theke ein Tablett hervor und drückte es Ivan in die Hand.
    »Schalt nochmal kurz ein, Ivan!«, sagte Catia.
    »Du hast doch selbst einen Fernseher zu Hause«, sagte Ivan. Er begann, die Gläser abzuräumen.
    »Mach mir noch einen Caffè!«, sagte Catia.
    »Ich muss ins Bett.« Ivan trug das Tablett zur Spüle, stellte es dort ab und kam mit einem feuchten Lappen zurück. Schnell wischte er über die Tischplatten. Catia nahm die Arme nicht hoch, als er bei ihr

Weitere Kostenlose Bücher