Die Auserwaehlte
Oberkörper. Talon begann, den Dschungel wieder innerlich zu verfluchen. Die feuchte Luft legte sich wie ein wabernder, schwerer Mantel auf seine Brust. Fliegen und Mücken klebten auf seiner Haut. Der beständige Juckreiz zeigte ihm, dass er für sie eine leichte Beute darstellte.
Dennoch hielt Talon keinen Moment inne. Zahlreiche Kratzer, die vom hölzernen Gestrüpp stammten, zeichneten ein enges Muster auf seine Beine. Immer noch hatte er die Fährte der jungen Frau deutlich sichtbar vor seinem inneren Auge. Auch sie folgte keinem geradlinigen Weg, sondern musste sich durch das an manchen Stellen nur schwer zu durchdringende Unterholz durchkämpfen.
Dann, mit einem Mal, brach der Dschungel förmlich auseinander. Überrascht schrie Talon auf und versuchte, Halt zu finden. Er stolperte nach vorne. Der Sturz war kaum tiefer als einen Meter, dennoch prallte er hart in das nasse Bett des träge dahinfließenden Flusses. Trübes Wasser spritzte zur Seite.
Der hochgewachsene Mann unterdrückte einen Schrei. Seine rechte Seite schmerzte durch den Aufprall auf den steinigen Untergrund. Er wirbelte hoch und stellte erst jetzt fest, dass der Fluss kaum tiefer als kniehoch war. In seiner Breite mochte er weit mehr als fünfzig Meter erreichen und zog damit eine breite Schneise mitten durch das unendliche Meer des Dschungels.
Er schnaufte auf und hustete etwas Wasser aus. Seine Brust hob und senkte sich mit den schweren Atemzügen. Talons linke Hand tastete an seine rechte Seite. Unwillig verzog er das Gesicht. Er hatte sich die Rippen bei dem Aufprall heftig geprellt. Doch anscheinend war nichts gebrochen.
Sein Kopf fuhr suchend von der einen zur anderen Seite. Nayla hatte durch seinen Sturz einen Vorsprung erhalten und war im Dämmerlicht der Baumschatten nicht mehr zu erkennen. Hier am Wasser fiel es ihm schwer, die Witterung wieder aufzunehmen. Unschlüssig folgte er der Richtung, in die er zuletzt gelaufen war und hoffte, durch diese Entscheidung nicht zu viel Zeit zu verlieren.
Das Wasser spritzte unter den schnellen Schritten zur Seite. Talon wählte einen Weg, der so nahe wie möglich am Ufer entlang lief. Dort reichte ihm der Fluss nur noch bis knapp über die Knöchel. Es war unmöglich, auf dem Trockenen vorwärts zu kommen. Zu beiden Seiten wurde der Fluss durch die dicht bewachsene Böschung eingerahmt, die bis zu einem Meter in die Höhe reichte. Ein dichtes Gespinst aus hellen Wurzeln ragte aus der abgebröckelten Erde hervor. Die meisten von ihnen waren kaum dicker als ein Bleistift und durch das beständige Sonnenlicht ausgetrocknet und brüchig geworden.
Helles Kreischen durchschnitt die unterdrückte Ruhe des späten Nachmittags. Etwas von ihm entfernt jagte ein Schwarm Reiher aufgeschreckt empor, die ihre Flucht mit einem lauten Krächzen quittierten.
Weitere Schreie ertönten dumpf vor ihm aus dem dunstverhangenen Horizont. Sie stammten von Frauen und waren von Panik und Entsetzen erfüllt.
Talon beschleunigte seinen Schritt. Unbewusst ging sein Griff an die linke Seite. Doch das Bajonett hatten die Ägypter behalten. Er fluchte auf. Es war ihm gänzlich entfallen. Sie wollten nicht auf ihn verzichten, aber sie waren nicht bereit gewesen, ihm zu vertrauen. Unbewaffnet würde ein Kampf gegen das Löwenwesen ungleich schwerer werden.
Trotzdem hielt er nicht inne und jagte durch das Wasser, eine weiße Gischt hinter sich herziehend. Der Fluss machte eine leichte Biegung nach links. Mit einem weiten Schwung öffnete sich die Umgebung zu einer lose bewachsenen Lichtung.
Farbige Schlieren zogen durch das Wasser. Talon genügte ein kurzer Blick, um sich zu vergewissern, dass es Blut war, das den Fluss dunkel färbte. Aus dem immerwährenden Dunst des Dschungels schälten sich vor ihm die ersten kantigen Formen kleiner Hütten, deren spitze Dächer deutlich zu erkennen war.
Ein Stück Stoff floss an ihm vorbei, halb verschluckt von den Wellen, die über die flachen Steine schwappten, die hier aus dem Wasser ragten. Vor ihm lag ein dunkler Körper halb bedeckt im Fluss. Unter ihm löste sich das Rot im breiten Bahnen.
Talon drehte die tote Frau um und sah die klaffenden Wunden, die Hals und Brust verunstalteten. Sie mochte um die Vierzig gewesen sein. Der Ausdruck des Entsetzens verzerrte die Züge. Um sie herum lagen zahlreiche weitere Stapel weißer Wäsche. Einige der Tücher waren zum Trocknen auf dem lehmigen Boden ausgebreitet worden, andere lagen noch feucht übereinander.
Er atmete tief
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