Die Ausgesetzten
besonders da sich kein Kreuz neben dem Wort befand. Ein Kreuz war das Zeichen, das er mit den Kolonisten vereinbart
hatte, um anzuzeigen, dass sie die Insel aus Not, Elend oder Gefahr verlassen hatten. White kam zudem Schluss, dass seine Kolonisten auf der Insel Croatoan (vermutlich die Insel, die heute als Hatteras bekannt ist) bei dem
dort lebenden freundlich gesinnten Stamm der Croatoan-Indianer in Sicherheit waren.
Er hatte vor am nächsten Tag dorthin zu fahren, doch in der Nacht kam ein Sturm auf, und eine Reihe weiterer Debakel führte
dazu, dass die
Hopewell
drei ihrer vier Anker verlor. Zuerst planten sie nach Trinidad zu fahren, um dort Reparaturen durchzuführen und Vorräte aufzunehmen,
ehe sie zurückkommen und weiter nach den Kolonisten suchen wollten. Doch das andauernde stürmische Wetter trieb die
Hopewell
so weit von ihrem Kurs ab, dass sie schließlich auf den Azoren landete, mitten im Atlantik. Dort beschloss der Kapitän nach
England zurückzukehren.
Das war das Ende der Bemühungen der
Hopewell
, die Kolonisten von Roanoke zu finden.
1593 schrieb White einen Brief an einen gewissen Richard Hakluyt, in dem er ihm seine Reise von 1590 schilderte. Zu diesem
Zeitpunkt – sechs Jahre nachdem er seine Tochter, seinen Schwiegersohn und seine Enkelin zum letzten Mal gesehen und drei
Jahre nachdem er den Ozean ein weiteres Mal überquert hatte, um nach ihnen zu suchen – schien er sich mit seinem Verlust abgefunden
zu haben. Trotzdem betete er weiter für die Sicherheit jener, die er auf Roanoke zurückgelassen hatte.
Nach jenem Brief aus dem Jahr 1593 verschwand John White fast ebenso spurlos wie der Rest seiner Familie. Manche Leute glauben,
dass er seine restlichen Tage in Irland verbrachte, weil er auch seinen letzten Brief dort verfasste, und zwar auf Ländereien,
die Sir Walter Raleigh gehörten. Andere verweisen auf die Aufzeichnungen einer gewissen Brigit White, der 1606 die Verwaltung
des Nachlasses ihres verstorbenen Bruders, John White, übertragen wurde. Sie ziehen daraus den Schluss, dass Gouverneur John
White in diesem Jahr verstarb, auch wenn niemand weiß, ob es sich um den richtigen John White handelt. Wieder andere glauben,
dass White ein weiteres Mal nach Amerika zurückgekehrt sein könnte, um nach seiner Familie zu suchen, allerdings auf einer
Reise, die nicht besonders gut dokumentiert wurde. (An diese These würde ich gern glauben, selbst wenn sie mir bei der Handlung
meines Buches nicht weitergeholfen hätte.)
Unabhängig davon, was in ihrem wirklichen Leben passiert, können Künstler darauf hoffen, nach dem Tod in ihren Kunstwerken
weiterzuleben.Im Jahr 1590 wurden Holzschnitte von Whites Zeichnungen veröffentlicht, die Originale hingegen blieben viele Jahre lang verschollen.
1788 tauchten einige seiner Zeichnungen wieder auf und wurden schließlich vom Britischen Museum erworben. Das steigende Interesse
an seinen Werken führte dazu, dass das Britische Museum und die University of North Carolina Press 1964 gemeinsam ein Buch
mit dem Titel
The American Drawings of John White
herausgaben. Wie Andrea schwärmt, wird Whites Werk heute tatsächlich für seine Einfühlsamkeit gerühmt und dafür, dass es die
amerikanischen Ureinwohner als Menschen zeigt und nicht als gänzlich fremde Wesen.
Seit vierhundert Jahren spricht man von Virginia Dare und den anderen Menschen, die John White auf Roanoke zurückließ, als
den Verlorenen Kolonisten. Ich konnte mich bei den Nachforschungen für dieses Buch nur immer wieder darüber wundern, wie unpassend
dieser Begriff ist. Im Grunde sind die Kolonisten gar nicht verloren gegangen; vielmehr war es so, dass niemandem außer John
White sonderlich daran gelegen war, nach ihnen zu suchen. Wenn wir in der heutigen Zeit gezwungen wären, Astronauten auf dem
Mond zurückzulassen, hätten wir mit Sicherheit alles unternommen, um sie zu retten. Aber ich begehe wieder einmal den Fehler,
die Vergangenheit so zu betrachten, als sei sie mit heute vergleichbar.
Nach den Ereignissen von Roanoke warteten die Engländer zwanzig Jahre, bevor sie einen weiteren Versuch unternahmen, sich
auf amerikanischem Boden niederzulassen. Diesmal fassten sie eine Gegend ins Auge, die ein wenig weiter nördlich liegt, am
James River in Virginia. Die Siedler von Jamestown hörten Gerüchte über Menschen mit heller Haut und blonden Haaren, die man
in der Nähe gesehen hatte – oder von Menschen, die englische
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