Die Begnadigung
sich einfach nur voll laufen lassen. Die nächste Woche in Washington würde sehr unangenehm werden.
Um 18.02 Uhr Ostküstenzeit kam der Befehl aus Tel Aviv, die Operation Backman abzubrechen. Keine Liquidierung, stattdessen der sofortige Rückzug.
Für die Agenten war es eine gute Nachricht. Sie waren darauf geschult, sich ihrer Zielperson unauffällig zu nähern, ihre Arbeit zu erledigen und zu verschwinden, ohne Spuren oder Hinweise zu hinterlassen, die als Beweismittel dienen konnten. Dafür war Bologna wesentlich besser geeignet als Washington mit seinen überfüllten Straßen.
Eine Stunde später checkte Joel aus dem Marriott aus und gönnte sich einen langen Spaziergang in der kühlen Abendluft. Allerdings blieb er auf den belebten Straßen und verschwendete keine Zeit. Dies war nicht Bologna. Nach Einbruch der Dunkelheit verwandelte sich die Stadt. Sobald die Pendler verschwunden waren und sich der Verkehr beruhigt hatte, wurde es gefährlich.
Der Rezeptionist des Hay-Adams bevorzugte Kreditkarten, irgendetwas aus Plastik, das die Buchhaltung nicht durcheinander brachte. Es kam selten vor, dass ein Gast auf Barzahlung bestand, aber dieser hier ließ sich nicht umstimmen. Da die Buchung bestätigt war, überreichte der Rezeptionist Mr Ferro mit einem höflichen Lächeln den Zimmerschlüssel und hieß ihn im Hay-Adams willkommen. »Haben Sie Gepäck?«
»Nein.«
Damit war das Gespräch beendet.
Mr Ferro strebte mit einer billigen schwarzen Aktentasche in der Hand auf die Aufzüge zu.
35
D ie Präsidentensuite des Hay-Adamas lag im siebten Stock. Drei große Fenster gingen auf die H Street hinaus, hinter der der Lafayette Park und das Weiße Haus zu sehen waren. Das Schlafzimmer war fürstlich, das Bad strotzte vor Messing und Marmor, und das Wohnzimmer war mit echten Antiquitäten eingerichtet. Allerdings waren Fernseher, Telefone und das selten benutzte Faxgerät nicht ganz auf dem aktuellsten Stand der Technik. Die Suite kostete dreitausend Dollar die Nacht, aber was scherte das den Lobbyisten?
Als Sandberg um neun Uhr an die Tür klopfte, dauerte es nur eine Sekunde, bis diese aufgerissen wurde. Ein herzliches »Guten Morgen, Dan!« schallte ihm entgegen. Backman packte seine rechte Hand und schüttelte sie energisch, während er Sandberg in sein Reich zog.
»Schön, dass es geklappt hat!«, sagte er. »Möchten Sie Kaffee?«
»Ja, gern. Schwarz, bitte.«
Sandberg ließ seine Tasche auf einen Stuhl fallen und sah zu, wie Backman aus einer silbernen Kanne Kaffee einschenkte. Er hatte deutlich abgenommen, und sein Haar war kürzer und fast weiß. Das Gesicht wirkte geradezu hager. Es bestand eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Backman, den er vom Prozess kannte, aber groß war sie nicht.
»Machen Sie es sich gemütlich«, forderte Backman ihn auf. »Ich habe Frühstück bestellt, es muss gleich kommen.«
Sorgfältig stellte er zwei Tassen auf den Couchtisch vor dem Sofa. »Lassen Sie uns hier arbeiten. Wollen Sie Ihren Rekorder einschalten?«
»Wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Mir ist es sogar lieber. Damit vermeidet man Missverständnisse.« Sie nahmen ihre Plätze ein. Sandberg stellte ein kleines Aufnahmegerät auf den Tisch, dann legte er Stift und Notizblock bereit. Backman saß lächelnd und mit lässig übereinander geschlagenen Beinen in seinem Sessel und strahlte das Selbstvertrauen eines Mannes aus, der sich vor keiner Frage fürchtete. Sandberg fielen seine Schuhe auf: harte Gummisohlen, die kaum Gebrauchsspuren zeigten. Keine Schramme, kein Schmutzfleck auf dem schwarzen Leder. Die Kleidung war so auffällig, wie er es von dem früheren Anwalt kannte: marineblauer Anzug, blütenweißes Hemd mit goldenen Manschettenknöpfen, Kragennadel und eine rotgoldene Krawatte, die geradezu nach Aufmerksamkeit schrie.
»Die erste Frage ist: Wo waren Sie?«
»Ich habe mich eine Weile in Europa rumgetrieben und mir den Kontinent angesehen.«
»Zwei Monate lang.«
»Ja, das reicht.«
»An irgendeinem speziellen Ort?«
»Nicht wirklich. Ich bin viel mit dem Zug gefahren, eine wunderbare Art zu reisen. Da sieht man wenigstens was.«
»Warum sind Sie zurückgekommen?«
»Ich bin hier zu Hause. Wo soll ich sonst hin? Was soll ich tun? In Europa herumzuhängen klingt unterhaltsam, und das war es auch, aber es ist kein Beruf. Hier gibt es Arbeit für mich.«
»Was ist das für eine Arbeit?«
»Das Übliche. Beziehungen zur Regierung, Unternehmensberatung.«
»Also Lobbyismus?«
»In
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