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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Jahr lang in der ›See-Klinik‹ gelernt hatte. Dort war der Krebs kein Schrecken mehr gewesen, sondern einfach der erbarmungslose Feind, den man ebenso unbarmherzig bekämpfen wollte.
    Von der Vermittlung des Krankenhauses erfuhr Herta, daß ihr Mann nicht mehr in der Klinik war. Niemand wußte, wo er sein konnte. Er hatte nichts hinterlassen. Nur der Portier und die Pfortenschwester hatten gesehen, wie er in scheinbar großer Aufregung weggefahren war. Vorher hatte er Besuch gehabt. Daß es sich dabei um Professor Runkel handelte, war niemandem aufgefallen.
    Herta gab sich mit den Auskünften zufrieden. Sicherlich ein kritischer Fall. Von irgendwoher würde Hubert dann anrufen, wie so oft, und sagen: »Liebes – es kann spät werden.« Und sie würde, wie so oft, antworten: »Ich warte auf dich …« Aber dieses Mal würde es eine tiefe, schicksalhafte Bedeutung haben, dieses Warten im dunklen Zimmer. Es war kein Warten mehr auf einige Stunden, sondern ein Warten, in dem die kurze Frist des Lebens verrann …
    Färber raste durch den Abend, planlos, ohne Ziel. Nur fahren, den Fahrtwind spüren, den Motor heulen hören, die Reifen singen lassen, die Geschwindigkeit im Blut und im Hirn spüren! Flüchten vor der Wahrheit, wegrennen vor dem Grauen und doch nicht entfliehen können vor der Entscheidung … Färber beugte sich vor und starrte auf die Straße, die unter ihm wegglitt. Ein Flimmern war vor seinen Augen. Schleudernd heulte der Wagen in die Kurven. Den entgegenkommenden Fahrern sträubten sich die Haare, wenn sie den hellen Wagen wie ein Geschoß auf sich zufliegen sahen.
    Vor einem kleinen Gasthaus am Eingang eines Dorfes hielt er mit kreischenden Bremsen. Die Wirtsleute stürzten auf die Straße, weil sie an einen Unfall glaubten. Statt dessen stand ein großer, schlanker, bleicher Mann vor der Tür und strich sich die weißen Haare aus der Stirn.
    Geistesabwesend starrte er die Wirtsleute an, die sich weder getrauten, ihn hineinzubitten, noch nach seinen Wünschen zu fragen. Stumm machte er plötzlich kehrt, ging zu seinem Wagen zurück und war wieder verschwunden.
    Abseits der Chaussee, in einem Waldseitenweg, parkte er schließlich. Es war stockdunkel, und er war todmüde. Sein Kopf sank vornüber. Mit der Stirn lag er dann auf der Nabe des Lenkrades und schlief, bis die Nachtkälte ihn weckte. Er fand sich nicht gleich zurecht, aber als ihm alles wieder einfiel, der Besuch Runkels, dessen Eröffnung, da spürte er das Gefühl der Vernichtung um so furchtbarer. Hastig startete er und stieß auf die Chaussee zurück, schaltete die Scheinwerfer ein und fuhr einem Ziel entgegen, dem er nicht mehr länger ausweichen konnte.
    Nach der Verpachtung der ›See-Klinik‹ und dem durch Presse und Fernsehen bekanntgewordenen Beginn des Umbaus zu einem exklusiven See-Palasthotel, nach dem Zusammenbruch der letzten Zufluchtstätte der Unheilbaren war es still um Hansen geworden. Das ›Sorgenkind der deutschen Medizin‹, wie man Hansen im vertrauten Kreise genannt hatte, war in die Landpraxis zurückgekehrt. Dort würden ihm die Kollegen selbst nachsehen, wenn er unter Ausschluß der Öffentlichkeit einige Krebskranke behandelte. Es tat keinem weh und erzeugte vor allem keinerlei Heilpanik.
    So gingen für Hansen die Tage kaum anders dahin als vor dem Abenteuer Krebs: Morgenpraxis, Herunterschlingen des Mittagessens, stundenlanges Herumfahren durch die Heide und Hausbesuche, bis spät in den Abend hinein. Viermal in der Woche, nächtliches Klingeln des Telefons. Ein Herzanfall, eine Geburt, ein Gehirnschlag, ein Unfall …
    Hansen stürzte sich wieder in diese Arbeit, weil er sah, wie glücklich Karin darüber war. Nur nachts, wenn er von einem dringenden Besuch zurückkam und sie schon schlief, saß er oft unter der kleinen Schreibtischlampe und dachte an das große weiße Haus mit den vielen kleinen Balkonen zum Plöner See. Er sah das kleine Heer der Unheilbaren, das durch die Flure gegangen war, das in den Betten gelegen auf den Terrassen sich gesonnt hatte oder im Klinikgarten um die Blumenbeete wandelte …
    In dieser Nacht ging es auf zwei Uhr, als es an der Haustür klingelte. Hansen schob seine Papiere beiseite, erhob sich und zog hastig die Jacke an.
    Erneut klingelte es. Länger, alarmierend.
    In der Diele stand schon Karin in ihrem großgeblümten Morgenmantel.
    »Ein Wagen. Ich habe ihn bremsen hören …«, sagte sie. Hansen legte den Arm um ihre schmale Schulter.
    »Leg dich hin, Karin. Schlaf. Ich

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