Die Begnadigung
Krawatte wandte sich zu Dr. Hansen um. Er lächelte breit und freundschaftlich.
»Okay, Doc!« sagte er. »Der Preis …?«
»Ich verkaufe nicht.«
»Verstehe!« Der Amerikaner grinste verständnisvoll. »Ein bißchen handeln. Zwei Millionen … letztes Wort.«
Wottke riß die Augen auf. Er zupfte Hansen hinten an der Jacke. Zwei Millionen, dachte er. Dann kriege ich meine Dreißigtausend zurück und komme vielleicht wieder zu einem eigenen Häuschen … aber dann sah er an der Fensterfront der Klinik empor, dachte an den großen Traum Hansens, der hier erfüllt worden war und der nun durch Mißgunst zusammenzubrechen drohte, und kam sich plötzlich schäbig vor mit seinen Gedanken und wie ein Verräter, der für dreißig Silberlinge seinen Herrn verkauft.
»Ich bin bereit, das Haus zu verpachten«, hörte er Hansen, sagen. »Über Pachtzins und alle anderen Einzelheiten müßten wir uns noch unterhalten.«
»Wir werden umbauen müssen …«
»Soweit Sie nicht das ganze Gesicht des Hauses verändern, gut!«
»Und die Pacht auf mindestens zwanzig Jahre …«
Hansen schwieg. Zwanzig Jahre, dachte er. Damit gebe ich alles auf, was ich einmal als mein Lebensziel ansah. Es wird nie mehr eine interne Krebsklinik geben, keine Hansen-Therapie mehr … in zwanzig Jahren werde ich ein alter, müder Mann sein, der zwar sorglos von den Zinsen leben kann, aber der nicht nur sich selbst verraten hat, sondern auch alle die Unheilbaren, die in diesen zwanzig Jahren an seine Tür klopfen würden …
»Ich muß es mir überlegen, meine Herren«, sagte er langsam.
»Ich denke, Sie brauchen Geld? Wer Geld braucht, überlegt nicht lange.« Der Amerikaner mit dem Südseemädchen-Schlips klopfte an seine Brusttasche. »Wir geben Ihnen nach Vertragsabschluß eine Jahresrate sofort im voraus. Wir sind sogar bereit, einige Jahresraten im voraus als zinslosen Kredit zu geben! Na, Doc? Noch immer nachdenklich?«
»Es geht hier nicht allein um Geld, meine Herren. Ich hatte mit dem Bau dieser Klinik eine Verpflichtung übernommen. Das Geld zum Bau wurde von dem Stifter gegeben, um den Krebskranken zu helfen, nicht um ein Segelhotel daraus zu machen.«
»Okay!« Der Amerikaner lächelte zustimmend. »Nehmen wir in den Vertrag auf: Auch Krebskranke können bei uns segeln …«
Hansen gab es auf. Zwei grundverschiedene Welten standen sich gegenüber, und sie redeten aneinander vorbei. »Lassen Sie mir drei Tage Bedenkzeit«, sagte er, nachdem sie wieder zu den Straßenkreuzern zurückgekehrt waren. »Zwanzig Jahre ist ein endgültiges Weggehen …«
»Aber das Haus bleibt Ihren Kindern. Ein gutes Geschäft für die boys, Doc!«
»Ich habe keine Kinder …«
»Dazu ist man nie zu alt!« Der Amerikaner lachte laut. »Und Mrs. Hansen ist ja noch jung …«
Franz Wottke stand auf der Terrasse und stützte sich auf die Brüstung, als die schweren Wagen wieder abfuhren. Lisbeth sah aus dem Fenster des Schlafzimmers und klopfte die Betten.
»Verkauft er?« fragte sie.
»Nein!«
»Verpachten?«
»Ich weiß nicht.«
»Er sollte es, Franz. Ich habe Angst, so allein in dem Riesenhaus. Überall die leeren Zimmer … die leeren Betten … mir ist manchmal, als seien sie alle gestorben, und wir sitzen in einem Leichenhaus.«
»Wir sitzen auf dem Trockenen!« Wottke stützte den Kopf in beide Hände. »Und der Chef will nich mehr! Det is das Schlimmste, Lisbeth … ick glaube, der hat keinen Mumm mehr. Den haben se fertiggemacht …«
Hansen saß im Wintergarten und las in den Lebenserinnerungen eines Schauspielers, als Karin einen Besucher ins Zimmer führte. Erst als sich der Gast räusperte, sah Hansen verwundert auf und legte schnell das Buch zur Seite.
»Herr Oberstaatsanwalt?«
»Es ist das letztemal, daß Sie meinen Anblick ertragen müssen, Herr Hansen.« Dr. Barthels sah schlecht aus. Dicke Tränensäcke unter den Augen, eine gelbliche Haut wie bei einem Gallenkranken.
»Sie sind mir immer willkommen – als Privatmann!« antwortete Hansen.
»Für zehn Minuten bitte ich, mich dienstlich zu betrachten. Sie werden das, was ich Ihnen sage, noch schriftlich bekommen. Aber ich hielt es für meine Pflicht als Mensch, Ihnen vorher davon Mitteilung zu machen.«
»Sie werden Anklage erheben?« fragte Hansen. »Wann findet der Prozeß statt?«
Dr. Barthels sah durch das Fenster hinaus in den Garten, als er weitersprach.
»Mit Billigung des Herrn Generalstaatsanwaltes hat sich die Staatsanwaltschaft nach genauem Aktenstudium
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