Die Bestimmung - Letzte Entscheidung: Band 3 (German Edition)
Kleidung und Bücher neben einem kleinen Tischchen.
» Das hier war der Schlafsaal der Ken-Initianten « , erklärt Uriah. » Ich habe schon Betten für Christina und Cara reserviert. «
Auf einem Bett nahe der Tür sitzen drei Mädchen in roten Shirts – ich tippe auf Amite – und auf der linken Seite des Raumes liegt eine ältere Frau auf einer Matratze. Sie trägt eine Brille, also ist sie wahrscheinlich eine Ken. Ich weiß, dass ich aufhören sollte, andere Menschen auf den ersten Blick ihren Fraktionen zuzuordnen, aber alte Angewohnheiten können hartnäckig sein.
Uriah lässt sich auf eines der Betten in der hinteren Ecke fallen. Ich setze mich auf das Bett daneben. Es ist ein gutes Gefühl, endlich frei zu sein und sich ausruhen zu dürfen.
» Zeke sagt, dass es bei den Fraktionslosen manchmal etwas dauert, bis ein Freispruch durch ist, also werden die beiden wohl später nachkommen « , sagt Uriah.
Für einen Moment durchströmt mich ein Gefühl der Erleichterung, weil alle, die mir etwas bedeuten, noch heute freikommen werden. Doch dann wird mir klar, dass Caleb nicht frei sein wird – es ist kein Geheimnis, dass er Jeanine Matthews’ rechte Hand war, und jemanden wie ihn werden die Fraktionslosen nicht davonkommen lassen. Ich bin mir nicht sicher, wie weit sie gehen, um alle Spuren, die Jeanine Matthews in dieser Stadt hinterlassen hat, auszulöschen.
Es kann mir egal sein, denke ich. Doch noch während der Gedanke durch meinen Kopf schießt, wird mir klar, dass das nicht die ganze Wahrheit ist. Er ist immer noch mein Bruder.
» Gut « , sage ich. » Danke, Uriah. «
Er nickt und lehnt den Kopf gegen die Wand.
» Wie geht es dir? « , frage ich. » Ich meine … Lynn … «
Seit ich ihn kenne, ist Uriah mit Lynn und Marlene befreundet gewesen, und nun sind beide tot. Ich denke, ich kann nachvollziehen, wie er sich fühlt – immerhin habe auch ich zwei meiner Freunde verloren: Al ist dem gnadenlosen Training der Initianten zum Opfer gefallen und Will der Angriffssimulation und meinem eigenen unüberlegten Handeln. Aber ich will nicht so tun, als wäre unser Schmerz vergleichbar. Uriah kannte seine Freunde besser als ich meine.
» Ich will nicht darüber reden. « Er schüttelt den Kopf. » Oder darüber nachdenken. Ich will einfach nach vorne schauen und weitermachen. «
» Okay. Das verstehe ich. Aber … sag mir, wenn du jemanden brauchst … «
» Ja. « Er lächelt und steht auf. » Du bist so weit okay, oder? Ich habe meiner Mom versprochen, sie heute Abend zu besuchen, also muss ich langsam los. Oh – fast hätte ich es vergessen, Four hat gesagt, dass er dich später treffen will. «
Ich setze mich auf. » Wirklich? Wann? Wo? «
» Kurz nach zehn, im Millenium Park. Auf dem Rasen. « Er schmunzelt. » Freu dich nicht so sehr, dein Kopf explodiert sonst noch. «
4. Kapitel
Tobias
Meine Mutter sitzt immer auf der Kante – von Stühlen, Simsen, Tischen –, so als rechnete sie jede Sekunde damit, aufspringen und fliehen zu müssen. Diesmal ist es Jeanines alter Schreibtisch, auf dessen Kante sie sitzt, während sie mit den Zehen auf dem Boden balanciert. Hinter ihr schimmern die Lichter der Stadt und tauchen sie in nebelhaftes Licht.
» Ich denke, wir müssen uns über deine Loyalität unterhalten « , sagt Evelyn. Ihr Tonfall ist nicht vorwurfsvoll, sie klingt einfach nur müde. Für einen Augenblick wirkt sie so dünnhäutig, dass ich das Gefühl habe, glatt durch sie hindurchsehen zu können, doch dann richtet sie sich auf und das seltsame Gefühl ist verschwunden.
» Immerhin hast du Tris geholfen, an dieses Video heranzukommen « , sagt sie. » Niemand ahnt es, aber ich weiß es. «
» Hör zu. « Ich beuge mich vor und stütze mich mit den Ellenbogen auf den Knien ab. » Ich wusste nicht, was das für eine Datei war. Ich habe Tris’ Urteil mehr getraut als meinem eigenen. Das ist alles. «
Ich habe darauf spekuliert, dass meine Mutter mir wieder vertrauen würde, sobald ich ihr sage, dass ich mit Tris Schluss gemacht habe – und ich habe mich nicht getäuscht. Seit dieser Lüge ist sie mir gegenüber wärmer und offener.
» Und jetzt, wo du das Bildmaterial gesehen hast? « , sagt Evelyn. » Was denkst du jetzt? Bist du der Meinung, dass wir die Stadt verlassen sollten? «
Ich weiß, was sie von mir hören will – dass ich keinen Grund dafür sehe, die Grenze zu überschreiten –, aber ich bin kein guter Lügner, also entscheide ich mich stattdessen für einen
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