Die bezaubernde Arabella
1
Das Kinderzimmer im Pfarrhaus zu Heythram war kein großer Raum, aber an einem frostigen Januartag konnte dies in einem Haushalt, in dem der Kohlenverbrauch bedacht werden mußte, von seinen Bewohnern nicht als Nachteil empfunden werden. Ein recht bescheidenes Feuer, das in dem hohen, vergitterten Kamin brannte, machte es wenigstens dreien von den vier jungen Damen, die sich in dem Zimmer aufhielten, unnötig, ihre Schultern in Schals zu hüllen. Doch Elizabeth, die jüngste von Reverend Henry Tallants hübschen Töchtern, litt gerade an Ohrenschmerzen, hatte eine angeröstete Zwiebel in das leidende Ohr gesteckt und überdies Kopf und Hals in einen alten Kaschmirschal gewickelt. Sie lag auf ein bejahrtes Sofa gekuschelt, den Kopf in ein abgenütztes rotes Kissen gedrückt, und ließ von Zeit zu Zeit langgezogene Seufzer hören, denen indessen keine der Schwestern irgendwelche Beachtung schenkte. Man wußte, daß Betsy gern kränkelte. Die allgemeine Auffassung war, daß das Klima von Yorkshire ihrer Konstitution nicht bekömmlich wäre, und da sie fast den ganzen Winter über unter allerlei Unpäßlichkeiten litt, nahmen alle, bis auf die Mama, Betsys Anfälligkeit als etwas Selbstverständliches hin.
Mannigfache Anzeichen, auf den Tisch inmitten des Raumes verstreut, ließen erraten, daß die jungen Damen sich in diesen gemütlichen, wenn auch schäbigen Raum zurückgezogen hatten, um Hemden zu säumen, doch nur eine von ihnen, die Älteste, oblag wirklich dieser Beschäftigung. In einem Stuhl neben dem Kamin saß Miss Margaret Tallant, eine muntere Fünfzehnjährige, die Finger in die Ohren gestopft, und war in die Lektüre eines Fortsetzungsromans versunken, den sie aus einem gebundenen Sammelband des Ladies’ Monthly Museum zusammensuchte; am Tisch saß Miss Arabella, die vernachlässigte Näherei vor sich auf dem Tisch. Miss Sophia gegenüber, die aus einem anderen Band dieser belehrenden Zeitschrift vorlas.
»Also, offen gesagt, Bella«, bemerkte sie und ließ den Band einen Augenblick sinken, »ich finde das höchst sonderbar! Hör doch nur, was da steht! ›Wir bieten unseren Abonnenten einige neueste Modeentwürfe, Modelle, die keinesfalls den Regeln des Anstands und der Würde widersprechen, aber der guten Laune ein Lächeln abzugewinnen und der Eleganz einen zusätzlichen Charme zu verleihen vermögen. Sparsamkeit muß die Parole des Tages sein – ‹ und dazu, bitte schön, bringen sie ein Bild eines bezaubernden Abendkleides – sieh doch nur, Bella! – und in der Beschreibung heißt es, daß das Russenleibchen aus blauer Seide und vom mit Diamantenknöpfen zusammengehalten ist. Na, bitte schön!«
Ihre Schwester blickte gehorsam von der Manschette auf, die sie gerade säumte, und musterte kritisch das originelle Modell, das in den Bemerkungen zur Mode abgebildet war. Dann seufzte sie und beugte ihren dunklen Kopf wieder über die Arbeit. »Nun, wenn es das ist, was sie unter Sparsamkeit verstehen, dann kann ich bestimmt auch nicht nach London fahren, selbst wenn meine Patin mich einlädt. Aber sie wird es ja auch gar nicht tun, das weiß ich bestimmt«, fügte sie fatalistisch hinzu.
»Du mußt hinfahren und du wirst es auch!« erklärte Sophy entschlossen. »Bedenke doch, was es für uns alle bedeutet, wenn du es tust!«
»Ja, aber ich tue es nicht, wenn ich so armselig aussehe«, wandte Arabella ein, »und solange es Pflicht ist, Diamantenknöpfe am Mieder zu tragen, weißt du ganz gut, daß – »
»Ach, Unsinn! Das ist gewiß irgendeine ausgefallene Mode, oder die Knöpfe sind vielleicht aus Straß. Und überhaupt, das ist eine alte Nummer, hier. In einer anderen habe ich gelesen, daß man jetzt am Vormittag überhaupt keinen Schmuck mehr trägt, und so kannst du aller Wahrscheinlichkeit nach – wo ist denn der Band? Margaret, du hast ihn! Gib ihn mir doch her! Du bist noch viel zu jung, kannst dich noch nicht für solche Dinge interessieren!«
Margaret zog die Finger aus den Ohren und hielt den Band fest, nach dem die Schwester greifen wollte. »Nein, ich lese den Fortsetzungsroman!«
»Gerade das solltest du nicht. Du weißt, Papa hat es nicht gern, daß wir Romane lesen!«
»Wenn es darum geht«, erwiderte Margaret spöttisch, »da kann ich nur sagen: ihm gefiele es schon gar nicht, daß du nichts Besseres studierst als die letzten Moden.«
Sie sahen einander an; Sophys Lippen bebten. »Liebe Meg, bitte gib mir den Band, nur für einen Augenblick!«
»Schön, ich gebe ihn dir,
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