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Die Bibel

Die Bibel

Titel: Die Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nuernberger
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Strafe für die Kreuzigung Christi, lügen die Christen und bereiten das Feld für die immer wieder über die Juden hereinbrechenden Pogrome. Fliehen die Juden in andere Länder, so bestätigen sie angeblich nur den «flüchtig-unsteten jüdischen Lebenswandel».
    Im Jahr 1215 tagte im römischen Lateranpalast, der Kathedrale des Papstes, das 4.   Laterankonzil und unterwarf Juden einer strengen Kleiderordnung, damit man sie gleich erkannte, so wie man den Brudermörder Kain am Kainszeichen erkennen konnte. Angeblich wollte man «nur» verhindern, dass die Christen mit Juden Kontakt aufnähmen oder gar Mischehen eingingen. Aber natürlich ging es auch um das Kainsmal, das längst schon zum Schandmal uminterpretiert war.
    Sieben Jahrhunderte später, nach zahlreichen Pogromen, Repressalien und Beschränkungen des jüdischen Lebens in ganz Europa, wurden die Juden in Deutschland zum Tragen des Judensterns verpflichtet und in die Gaskammern getrieben. Die Ursünde Kains hatte sich fort und fort gezeugt, der älteste Menschenmord entwickelte sich zum jüngsten Völkermord.
    Gott hatte Kain gezeichnet, um sein Leben zu schützen. Christen haben das Schutzzeichen zum jüdischen Schandmal umgedeutet, die Nazis benutzten es als Lizenz zum Töten. Kains Urmord war an sein perverses Ende gekommen.
    Was macht den Menschen zum Mörder? Was teilt die Menschheit in Täter und Opfer? Darum geht es in der Geschichte von Kain und Abel. Nicht um die Frage, ob Gott gerecht sei, hier nicht.
    Über Kain sagt Eva:
Ich habe einen Mann gewonnen mit Hilfe des Herrn
. Beim zweiten Sohn heißt es nur
: Und weiter gebar sie Abel, seinen Bruder
.
    Die Freude über den zweiten Sohn ist also schon deutlich geringer. Verständlicherweise, denn die Freude über Kain war nicht nur die einer Frau über ihr erstes Kind. «Ich habe einen Mann gewonnen» bedeutet: Ich habe einen männlichen Nachkommen geboren und damit endgültig meinen Mann für mich gewonnen.
    Abel wurde ein Schäfer, Kain ein Ackermann
.
Umherziehender Nomade und sesshafter Bauer, das sind zwei verschiedene Weisen, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, zweierlei Sorgen und Nöte, zwei Blicke auf die Welt. Diese Verschiedenheiten des Lebens, und mit ihnen die wachsende Zahl möglicher Konflikte, bilden möglicherweise den Hintergrund der Geschichte von Kain und Abel. Im Vordergrund steht das Bruderpaar. Mittendrin kommt der Dritte ins Spiel: Gott.
    Im Dreieck Gott   – Kain   – Abel steckt die Menschheitserfahrung, dass dem einen mehr Glück und Erfolg beschieden ist als dem anderen, ohne dass sich sagen ließe, warum. Schönheit, Gesundheit, Begabung, Ruhm, Kraft und Reichtum – alles, wonach wir streben, ist ungleich verteilt. Sosehr sich jeder bemüht, möglichst viel davon zu erlangen, so unterschiedlich fallen die Ergebnisse aus.
    Für den gläubigen Erzähler ist Gott die Ursache dieser Ungleichheit unter den Menschen. Gott wird seine Gründe dafür haben. Wir müssen sie nicht verstehen. Für uns Heutige ist die natürliche Ungleichheit das Ergebnis eines Würfelspiels namens Leben. Es ist ein Schicksal, gegen das wir uns auflehnen, das wir mit Wissenschaft, Politik und Technik zu korrigieren versuchen, oft vergeblich.
    Kain lernen wir in dieser Geschichte zunächst als den vom Schicksal Bevorzugten kennen. Er ist der Erstgeborene, der mit den größeren Rechten, der Haupterbe und künftige Familienchef. Er ist, wie wir schon durch seinen Namen – «Kain» bedeutet «Lanze» oder «Schmied» – erfahren, der Starke. Wahrscheinlich ist er, der sesshafte Ackerbauer, auch der Reichere.
    Abel, dessen Name «Hauch» bedeutet oder «Nichtigkeit», ist der Schwache. Er ist der Schwache bis zu jenem Tag, an dem das Opfer des Starken abgelehnt wird und das Schicksal sich zu wenden scheint. Jetzt, so sagt die Geschichte, ist Abel der «Liebling der Götter» und Kain der Glück- und Erfolglose. Aber Abel nützt es nichts, denn genau deshalb wird er erschlagen.
    Wie werden zwei Brüder damit fertig, dass der eine Glück und Erfolg hat und der andere nicht? Und wenn es plötzlich umgekehrt ist? Dominieren Hass, Neid und Missgunst oder Geschwisterliebe?
    Die Konflikte der beiden Brüder erleben schon die Kinder im Kindergarten und später in der Schule, Jugendliche in ihren Cliquen, die Erwachsenen mit ihren Arbeitskollegen. Wir vergleichen uns, und schon wittern wir Ungerechtigkeit, unverdientes Glück, grundlose Bestrafung. Der Konflikt zwischen den vom Schicksal Begünstigten und

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